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Sterne, Federn, Quasten. Die Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice Rix-Ueno (1893–1967): Unsere Frau in Japan

Josef Hoffmann attestierte ihr im Abschlusszeugnis der Wiener Kunstgewerbeschule 1916 ein „höchst eigenartiges Talent, selbstständig im Geschmack“. Zu diesem Zeitpunkt hatte die eben einmal 21-jährige Felice Rix (1893-1967) bereits ihre ersten Entwürfe für die Wiener Werkstätte geliefert. Bis knapp vor deren Auflösung 1932 werden es deren Hunderte werden. Wenngleich die Elevin anfangs mit dezent patriotischen Dekoren für Kriegsgläser reüssierte, wurden ihr Metier Entwürfe für Textilien, Gebrauchsgraphik, Emaillearbeiten, Spielzeug, Wohnaccessoires und Tapeten. „Sterne, Federn, Quasten“, so auch der Titel der Ausstellung im MAK, gehören dabei zu den beliebten, wieder und wieder variantenreich angewandten Motiven. Neben einer eigenen Formensprache zählen außergewöhnliche Farbkombinationen zu den besonderen Qualitäten dieser der produktiven Künstlerin.

Schon ihrer Ausbildung und den stilistischen Ausprägungen der Zeit entsprechend, beschäftigt sich Rix mit dem Biedermeier, dem Design der Arts-and-Crafts Bewegung und der Japanischen Kunst, insbesondere den Färberschablonen, genannt katagami. Auch die Auffassung der ostasiatischen Landschaftsmalerei, das lose Aneinanderreihen der einzelnen motivischen Versatzstücke auf der Fläche, scheint Rix interessiert wie inspiriert zu haben. Nicht ahnend, dass dies später ihre Heimat werden würde, entstehen wohl unter dem Eindruck eines großen Erdbebens, das Japan 1923 in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerichtet hatte, der Textilentwurf „Japanland“, ein Jahr später „Tokio“. Während man hierzulande „Japanland“ als Adaption einer eher weitgefasst asiatischen Motivik und Flächenaufteilung lesen möchte, bietet der Entwurf für ein japanisches Auge wohl, vornehm ausgedrückt, Raum für Missinterpretationen. Kulturelle Aneignung war damals weniger ein Thema, retrospektiv verzeiht man auch Felice Rix in Japan derlei, wird sie doch bald zur visuellen Vermittlerin der Kulturen.

In Wien lernt „Lizzi“, wie sie in der Familie und darüber hinaus heute noch in Japan genannt wird, den Architekten Isaburo Ueno kennen, der nach einem Studienaufenthalt in Berlin im Büro von Josef Hoffmann anheuert. Nach der Eheschließung geht das Paar in die Heimat des Bräutigams und gründet in Kyoto ein eigenes Büro. Anders als ihren drei Schwestern bleibt Felice Rix-Ueno, aus einer jüdischen Familie stammend, die Emigration erspart. So lange es die Situation zulässt, verbringt Rix-Ueno jährlich einige Wochen in Wien, und entwirft hier wie dort Stoffmuster, Tapeten, Wohnaccessoires und Emaillearbeiten. In ihrer neuen Heimat beschäftigt sie sich mit traditionellen Materialien und Techniken und versucht daraus neue Produkte zu entwickeln. Auch die Bildrolle als Medium samt Tuschezeichnung, interpretiert sie in ihrem Sinne neu. Josef Hoffmann muss von einem Exemplar so hingerissen gewesen sein, dass er die Rolle über lange Zeit nicht zurückgeben wollte.

In Japan wird sie Beraterin wie Mitarbeiterin für die Entwicklung Textildesigns für das Inland sowie den Export, nach ihrer Pensionierung gründet sie ein eigenes internationales Designinstitut, wo sie in der Lehre Gestaltungsprinzipien weitergibt, wie sie einst in ihrer Ausbildung von Franz Čižek vermittelt wurden. Ihre eigene Lehrmaximen, so erinnert sich ein einstiger Schüler lauteten „mehr Spaß“, natürlicher“, „freier“. Zeit ihres Lebens in Japan bleib sie die „Wienerin in Kyoto“. Dass man sie dafür liebte wie schätzte und ihrem Werk eine Hochachtung zollte, zeigt die Tatsache, dass ihr nach einer Ausstellung zum 20. Todestag 1987 dann 2021/22 im National Museum of Modern Art in Kyoto eine umfassende Retrospektive gewidmet wurde.

Mit einer in aller Sorgfalt von Anne-Katrin Rossberg kuratierten Ausstellung würdigt das MAK nun Felice Rix-Ueno, die neben Maria Likarz, Fritzi Löw und Vally Wieserthier heute zu den -wie es im Katalog formuliert ist- „Fab four“ der Frauen der Wiener Werkstätte gehörte, die auch über ihre Tätigkeit für die Produktionsgemeinschaft hinaus internationale Anerkennung fanden.

Der Katalog widmet sich zudem in einem eigenen Beitrag der Familie Rix. Denn nicht nur Felice, auch ihre drei Schwestern, unter ihnen die Keramikerin Kitty Rix, waren in verwandten Metiers tätig, ebenso der Vater Julius, der als Filialleiter und Geschäftsführer für eine der Wiener Werkstätten arbeitete.

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Katalog
STERNE, FEDERN, QUASTEN. Die Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice RixUeno (1893–1967)
MAK Studies 30, herausgegeben von Lilli Hollein und Anne-Katrin Rossberg, mit Beiträgen von Lilli Hollein, Michael Hölters, Yûko Ikeda und Anne-Katrin Rossberg.
Deutsch/Englisch, 192 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen.
MAK, Wien/Birkhäuser Verlag, Basel 2024.
Erhältlich im MAK Design Shop und unter MAKdesignshop.at um € 39.

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Sterne, Federn, Quasten. Die Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice Rix-Ueno (1893–1967)
22.11.2023 - 21.04.2024

MAK - Museum für angewandte Kunst
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Tel: +43 1 711 36-0, Fax: +43 1 713 10 26
Email: office@mak.at
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