Artissima 2023: Back to the Bürgergesellschaft
In ihrer 30. Ausgabe spielt die Artissima in Turin ihre bekannten Stärken aus. 181 Galerien aus 33 Ländern sind dabei, aus vier mehr als im letzten Jahr. Der Anteil internationaler Galerien liegt jetzt bei 58 Prozent. Der Qualität der Messe hat das sichtlich geholfen. Die Internationalisierung schreitet also voran, wenn auch langsam. Es hat sich herumgesprochen, dass Turin mit seiner Konstellation aus einer Kunstmesse in öffentlichem Besitz, zahlreichen Institutionen, Stiftungen und bedeutenden Privatsammlungen ein attraktiver Marktplatz ist. Darin liegt wohl auch der Grund für die ausgesprochen hohe Anzahl an Einzelpräsentationen, 68 an der Zahl.
Die kuratierten Sektionen Back to the Future, Present Future, Monologue/Dialogue und Disegni für Arbeiten auf Papier tragen dazu bei. Doch auch jenseits dieser geforderten Fokussierung haben sich viele Aussteller für das Format entschieden, das ein tieferes Eintauchen in das Werk einer Künstlerin bzw. eines Künstlers ermöglicht.
Zu Back to the Future haben die beiden Kuratoren Defne Ayas und Francesca Manacorda (zufällig auch designierter Nachfolger von Carolyn Christov-Bakargiev am Castello di Rivoli) nur Künstlerinnen eingeladen, auch aus Regionen, in denen es schwierig war, überhaupt künstlerisch zu arbeiten. Die Positionen reichen zurück bis in die 1950er Jahre. "Es geht auch um Künstlerinnen, die sich bereits damals mit dem Dekolonisierungsprozess beschäftigt haben", erklärt Direktor Luigi Fassi, der die Messe zum zweiten Mal verantwortet. "Und es sind Künstlerinnen, die einen anderen Ansatz hatten als die westliche Kunst, aber auch um Galerien, die die Sammler nicht unbedingt auf dem Schirm haben."
Mit der Abteilung New Entries will die Messe nicht zuletzt jungen Sammler:innen ein Angebot machen. In der loungeartigen New Entries Bar mit DJ und fancy Dosengetränken zu Preisen von sieben bis elf Euro sollen sie sich hier mit Künstler:innen und Galerist:innen entspannt austauschen; alle Galerien in der Sektion für ganz junge Kunst sind hier mit einem Werk vertreten. "Junge Sammler:innen können hier Fragen stellen ohne Angst", so Fassi. "Es geht um Leidenschaft und weniger um Geldanlage." Gerade beim Nachwuchs hat Italien ein Problem. Anders als etwa in Deutschland, gibt es hierorts kaum Nachwuchs in der Sammlerschaft.
Die Anbindung an die Stadt und ihre Bürger ist Teil des Erfolgs der Artissima. Es gibt eine ganze Reihe von Projekten außerhalb der Messe, wie die Ausstellung "All this fleeting perfections" in einer umzubauenden Bibliothek, ausschließlich mit Werken von Künstler:innen, die auf der Messe präsent sind. Nicht unerheblich ist auch das Engagement der Fondazione CRT der örtlichen Sparkasse, die mit einem Budget von 200.000 Euro für Museumsankäufe zugunsten von GAM und Castello di Rivoli für Umsatz sorgt. Alle Werke, die von CRT in den letzten Jahren auf der Messe gekauft wurden, werden aktuell in historischen Gebäuden und Museen unter dem Titel "Dove finiscono le traccie" in der Stadt gezeigt. Und auch mit der Wirtschaft gebe es laut Fassi einen engen Austausch: "Die Unternehmen wollen eine Kunstmesse in der Stadt haben, mit der sie sprechen können, die ihnen als Anlaufstelle und Referenzpunkt dient."
All diese Initiativen tragen mit dazu bei, dass gerade Galerien aus den deutschsprachigen Ländern nach Turin kommen: Aus Deutschland sind zehn Galerien dabei, aus Österreich neun, aus der Schweiz sechs. Aus Österreich ist zur Eröffnung sogar die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler gekommen, um sich ein Bild davon zumachen, wie Kunstszene und Kunstmesse sich gegenseitig befördern können.
03 - 05.11.2023
Oval - Lingotto Fiere
10126 Turin, Via Nizza 294
Email: info@artissima.it
http://www.artissima.it
Öffnungszeiten: täglich 11 - 19 h