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Ecstatic Media - Medienkunst neu betrachtet: Postmedienkunst und Unsicherheit

Der Beginn des Rundgangs durch die Ausstellung Ecstatic Media – Medienkunst neu betrachtet bietet nicht viele Eyecatcher. Dennoch zieht die sich allmählich steigernde formale und emotionale Intensität der Formen, Farben, Technik und Sounds die Betrachter:innen immer mehr in ihren Bann und zugleich in das höchst widersprüchliche Feld vermeintlicher Absenz und Präsenz von derartigen „ekstatischen“ Körpern, wie es sie je in der Kunst gegeben hat. Der Parcours, bestehend aus 18 Arbeiten, die zur Gänze aus der Sammlung Generali Foundation stammen, die sich seit 10 Jahren als Dauerleihgabe am Museum der Moderne befindet, beginnt locker mit der paradigmatischen Installation des 2023 verstorbenen Medienkünstlers und Theoretikers Peter Weibel, „Beobachtung der Beobachtung: Unbestimmtheit“ (1973). Sie zeichnet sich aus durch eine Dominanz der auf hohen Metallstellagen montierten drei Schwarz-Weiß Monitore, auf denen man vergeblich nach dem eigenen Gesicht sucht. Diese „Unbestimmtheit“ kann folgerichtig „fundamentalen Unglauben“ entwickeln – das Symptom einer Hysterie, die der zeitgenössischen Kunst in der postmedialen Ära immanent ist, implizit in der Art und Weise wie sie mit den Materialien und dem Körper umgeht. Eines der 4 Themenfelder der Schau nennt sich gerade deshalb Körperbilder und umfasst die größte Zahl der hier gezeigten Kunstwerke. Darunter ist das doppelt inszenierte Huddle (1974) der Tänzerin und Choreografin Simone Forti zu sehen, eine Raumarbeit, die mit verschiedenen Wahrnehmungsmodi ihres performativen Stücks spielt; einmal als Video aufgenommen und ein anderes Mal als Hologramm visualisiert. In der letztgenannten Technik erscheint die miteinander verschlungene Menschengruppe nun als „geisterhafte Lichterscheinung“. Beeindruckend wirkt ebenfalls die Videoinstallation und Hauptsujet der Ausstellung Autoporträt (1999). Die von Kurator Jürgen Tabor als „ein ikonisches Werk der Jahrhundertwende“ gepriesene Arbeit von Danica Dakic´ kann man im Sinn der Hysterisierung in der zeitgenössischen Kunst als rebellisch (wenn auch unbewusst) gegen die herrschende Ordnung bezeichnen. In dem Video, das die altmeisterliche Malerei durch Film vitalisiert, tritt an die Stelle der Augen ein zweiter Mund. Die beiden Münder sprechen zwei unterschiedliche Sprachen gleichzeitig (deutsch und serbisch), so dass man kaum nur eine von den beiden ungestört hören kann. Auf diese Weise, der Hysterie vergleichbar, wird durch die postmediale Medienkunst das Verdrängte d.h. das Auseinanderfallen der festumrissenen Identität präsent.

Auf die Wechselbeziehungen zwischen dem Realem und dem Virtuellem macht nebenan die interaktive Arbeit von Christa Sommerer und Lauren Mignonneau Homo Insectus (2020) aufmerksam, die märchengleich ein Abbild der vor dem Monitor stehenden Person durch die interaktive Anordnung von Insekten schafft. Psychedelisch-traumatisierende Momente sind bei dieser virtuell-spektakulären Fusion nicht ausgeschlossen. Und wenn man heute vielerorts von einer „gelebten Intransparenz“ hört, dann deutet die hybride Computerskulptur des Medienkünstlers Helmut Mark L 12 (1989) gerade das Gegenteil an. Sie hat die Form einer gläsernen Säule mit einem eingeschalteten Monitor als Krönung/Kopf, die das rationelle Denkvermögen der Menschen symbolisiert. Sind wir heute also, über dreißig Jahre später für unsere Umwelt in/transparent genug?

Das Kapitel Systeme rundet die Ausstellung ab, in dem vor allem das Medium Video und Datafizierungsprozesse in der Ära beginnender Digitalisierung und kognitiven Lernens im Sinne von Niklas Luhmann analysiert und entlarvt werden – wie u.a. in Arbeiten von Richard Kriesche, Carola Dertnig oder in Ulrich Formanns haargenauer Nachahmung einer imposanten Slotmachine (2022). Die Ausstellung filtert eine Ekstatische Medialität plausibel in unterschiedlichen Bedeutungsebenen aus der Medienkunstgeschichte, die dank der Sammlung der Generali Foundation in Österreich beheimatet sind.
Außerhalb dieser Ausstellung als ihre potenzielle Verlängerung kann man etliche Videos, Filme und Fotografien der Preisträgerin des Otto-Breicha Preises für Fotografie 2021, Anna Jermolaewa im Rupertinum kennen lernen. Auch Jermolaewa spielt mit Anwesenheit und Abwesenheit der Körper, mit Unsichtbarkeit und Sichtbarkeit, wenn auch unter anderen Voraussetzungen.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Ecstatic Media - Medienkunst neu betrachtet
26.10.2023 - 25.02.2024

Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg
5020 Salzburg, Mönchsberg 32
Tel: +43 / 662 / 84 22 20-403, Fax: +43 / 662 / 84 22 20-700
Email: info@mdmsalzburg.at
http://www.museumdermoderne.at
Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi 10-20 h


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