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Gregor Schneider. Ernst Franz Vogelmann-Preis für Skulptur 2023: Von hohlen Häusern und beklemmenden Räumen

Man könnte nicht behaupten, dass Gregor Schneider in seinem bisherigen Leben wenig ausgestellt hat, ganz im Gegenteil. Bereits in seiner Schulzeit präsentierte er seine aktuelle Produktion in dem Haus, das er als 16-jähriger, vom Vater zur Verfügung gestellt, ab 1985 alleine bewohnte. Dass dies für den pubertierenden jungen Mann bisweilen sehr beklemmend gewesen sein muss, konnte man spätestens 2001 auf der Biennale von Venedig im deutschen Pavillon selbst erleben. Während sich das geneigte Publikum durch die nach Venedig geschipperten und dort wieder aufgebauten Räume gruselte, erhielt der Künstler für sein „Haus ur“ einen goldenen Löwen. Gemäß dem Credo „Ich bin Bildhauer. Ich baue Räume“, ist es meist eine Arbeit, die in Ausstellungen gezeigt wird, monografische Präsentationen stellen bei Gregor Schneider schon aus Gründen des Platzbedarfs eine Seltenheit dar. Aus Anlass der Verleihung des Ernst Franz Vogelmann-Preises für Skulptur, der alle drei Jahre in Heilbronn Vergeben wird, sind es gleich drei Werkgruppen aus unterschiedlichen Schaffensphasen, die kuratiert von Rita E. Täuber auf drei Ebenen der Kunsthalle Vogelmann zu sehen sind sind.

Zwei Ebenen nimmt hier die Arbeit N.Schmidt ein, zwei bis hin zum tropfenden Wasserhahn identische Wohnungen. Wird in einem Geschoss noch der gewisse Voyeurismus bedient, in dem man verfallen mag, sobald man die etwas nüchterne Privatsphäre des Protagonisten betritt, mag man im Stockwerk darüber ins grübeln über die eigene Wahrnehmung und Orientierung geraten. War die Arbeit bei den Skulpturenprojekten in Münster 2017 noch gleichsam als Labyrinth auf einer Ebene angelegt, findet man sich diesmal am Ende in einem Streaming-Raum, der das eigene Betreten und Handeln zeitversetzt wiedergibt.

Seine Jahre lange Beschäftigung mit der Unterheydener Strasse, der Adresse des Haus ur, in Mönchengladbach-Rheydt fand ebenso Niederschlag im indischen Kolkata, wo alljährlich innerhalb des Durga-Puja-Festivals aus einfachen Mitteln wie Jute, Bambus und Lehm reichverzierte Tempelbauten, genannt Pandals, errichtet werden, die am Ende innerhalb einer religiösen Zeremonie, dem Ganges übergeben werden. Anstatt einer Tempelfassade wurde es bei Schneider ein maßstabsgetreues Modell der Strasse vor dem Haus seiner Heimat, allerdings um 90° gegen den Himmel gerichtet. Für viele Besucher des Festivals ein radikaler neuer Ansatz, der sich womöglich aus zukünftige Pandals auswirken könnte und mit einem Special Jury Award gewürdigt wurde. Als Schneider von der Evangelischen Landeskirche Hessen eingeladen wurde, während der Laufzeit der dOKUMENTA (13) ein eigenes Projekt zu verwirklichen, bei dem der Künstler an ein traditionelles Pandal aus Kolkata an einer Kirche angedockt dachte, ließen die Einsprüche durch das Team um Carolyn Christov-Bakargiev nicht lange auf sich warten. Eine Verwechslung mit den Exponaten der documenta wurde befürchtet.

Gleich in der Nachbarschaft in Rheydt, in der Odenkirchner Strasse 202 steht ein Gebäude, um das sich ebenfalls eine Reihe von Arbeiten und Aktionen des Künstlers gruppieren. Ein gewisser Joseph Goebbels, eloquenter Vermittler von Adolf Hitlers Propaganda, wurde dort geboren. Um es dem Zugriff von Neonazis zu entziehen, hat der Künstler diesen Ort, an dem das Monströse unter anderen seinen Ursprung fand, erworben und es in seiner Weise bearbeitet. „Indem ich etwas baue, was ich nicht beschreiben kann, komme ich dem Unausgesprochenen sehr nahe. Vermutlich ist das auch der Grund, weshalb mich verdrängte Themen anziehen und ich darauf stoße“, so Schneider zu seinem Arbeitsprinzip.

Die dazugehörigen Videoarbeiten zu „It's All Rheydt“, so der Titel, zeigen ihn nun lustlos in der Küche Suppe löffeln, unter einer Reproduktion von Dürers „Betenden Händen“ schlafen oder aber wie er schließlich das Gebäude einer tiefgreifenden Veränderung unterzieht. Er entkernt und pulverisiert das Innere des Haues sukzessive, um den Bauschutt als Mahnmal in einem Container vor der Nationalen Kunstgalerie Zachęta in Warschau abzustellen. Ein weiterer Container fand vor der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (einst Horst-Wessel-Platz) Aufstellung. Gerne würde man den Künstler ins oberösterreichische Braunau einladen, da gäbe es auch noch so ein Geburtshaus, das man ein für alle Mal als Mahnmal umgestalten könnte.

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KATALOG
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog mit Beiträgen von Marc Gundel, Rita E. Täuber und Norman Rosenthal. Mit einem Interview zwischen Gregor Schneider und seinem ehemaligen Kunstlehrer Karl-Josef Weiss-Striebe. Hg.: Marc Gundel mit Rita E. Täuber Hardcover, 144 Seiten, 23 x 18,5 cm Snoeck-Verlagsgesellschaft, 42.- Euro

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Gregor Schneider. Ernst Franz Vogelmann-Preis für Skulptur 2023
15.07 - 29.10.2023

KH / Kunsthalle Vogelmann
74072 Heilbronn, Allee 28
Tel: +49 7131 56 4420
Email: museen-hn@heilbronn.de
https://museen.heilbronn.de
Öffnungszeiten: Di-So, Feiertag (außer Montag) 11-17 h
Do 11-19 h


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