Werbung
,

Robert Lettner - Widerstandsbilder 1968-1979: Der Widerstand der Bilder

Ungewohntes ist aktuell in den Räumlichkeiten des Kunsthandels Giese & Schweiger in der Akademiestraße zu sehen: Eine vermummte Gestalt neben Handgranaten, ein Revolver, eine Hand die ein Messer hält. Bilder von Gewalt und Terror, wo sonst Landschaftsidylle und Blumenstillleben vorherrschen. Doch bleibt sich der Kunsthandel in gewisser Hinsicht treu.

Stillleben betitelte nämlich auch der Künstler Robert Lettner diese Serie, die Mitte der 1970er Jahre entstand, einer Zeit, in der die Entführungen und Anschläge terroristischer Gruppen wie der RAF (Rote Armee Fraktion) und der Brigate Rosse die politische Diskussion bestimmten. Die Überhöhung der Tötungsgeräte zu Elementen des klassischen Stilllebens war für Lettner ein Akt des Widerstands, der noch verstärkt wurde, da er seine Sujets als „Ikonen an die Pop Art“ bezeichnete, da in dieser Warenästhetik und Werbesujets im Vordergrund standen. Eine weitere Ebene der Widerständigkeit in Lettners Werk zeigt sich in der für die Zeit neuartigen und ungewohnten Malweise mit dem Luftpinsel. Heute in Form von Graffiti in vielerlei Ausformungen präsent und akzeptiert, war früher die noch dazu äußerst gekonnte Verwendung der Sprühfarbe ein Akt der Verweigerungshaltung gegenüber dem herrschenden Kunstkanon.

Widerstand war Robert Lettner quasi in die Wiege gelegt worden. Geboren wurde er 1943 im Lager Gurs in Südfrankreich. Sein leiblicher Vater war jüdischer Herkunft, wurde von den Nazis interniert und konnte 1945 nach Kanada auswandern. Robert Lettner erfuhr erst sehr viel später von seiner Existenz, denn lange hielt er den Kämpfer gegen den Faschismus in Spanien, den gebürtigen Salzburger Fritz Lettner für seinen Vater. Ebenfalls im Lager Gurs interniert lernte dieser Lettners aus Köln stammende Mutter kennen. In den frühen 1950er Jahren ging die kleine Familie zurück nach Salzburg, etwas später folgte der Umzug nach Wien, wo Lettner schließlich Aufnahme an der Akademie der bildenden Künste fand. Lettner erfuhr nach dem Studium relativ rasch Anerkennung, stellte in der Secession, mehrfach in der Galerie nächst St. Stephan und bei internationalen Gruppenausstellungen aus. Die große Karriere wollte nach den vielversprechenden Anfängen jedoch nicht starten. Robert Lettners Widerstandgeist, vor allem aber seine unglaubliche Akribie im Erforschen der Möglichkeiten in der Malerei verhindern den großen Siegeszug.

Die Unbedingtheit der Forderungen, die Lettner an die Malerei stellt, zeigt sich im Untergeschoss des Kunsthandels. Dort begegnen wird ausgewählten Exemplaren aus der Serie der Balkenbilder, die ab 1968 bis 2003 entstehen. Bereits zu dieser Zeit findet der Luftpinsel seinen Einsatz, und zwar nicht als Spraydose, sondern mit Kompressor, was den Bildern eine besondere Körnigkeit verleiht und ein die Wahrnehmung herausforderndes Spiel zwischen Schärfe und Unschärfe ermöglicht. Diese Werke changieren beständig zwischen Flächigkeit und schier endloser räumlicher Tiefe, nehmen die Betrachtenden in den Bildraum auf, um sie im nächsten Moment wieder herauszustoßen.

Im Hauptraum der Ausstellung finden sich schließlich noch weitere politisch aufgeladene Werke aus den 1970er Jahren, die nach fotografischen Vorlagen aus diversen Zeitschriften oder Zeitungen entstanden. Krieg, Terrorismus und gesellschaftspolitische Themen, verquickt Lettner mit Fragestellungen an die Malerei. Während grobe Pinselstriche den Untergrund in „Deutschland“ (1979) bilden, werden die abgebildeten Sujets durch den Luftpinsel soweit verunklärt, dass ein Bild einer unscharfen Erinnerung entsteht. Lettner nimmt damit unseren heute bereits historischen Blick auf die zurückliegenden geschichtlichen Ereignisse vorweg, nämlich ein Fahndungsfoto der RAF und die Entführung von Hanns Martin Schleyer.

Auch wenn Robert Lettner in seinen Widerstandsbildern und Stillleben keine Sympathie für politischen Extremismus, gar Terrorismus erkennen lässt, sind die Werke in der Zeit ihrer Entstehung als Kommentar zum Zeitgeschehen und der konsumorientierten Pop-Ästhetik in der Malerei zu lesen. Sie thematisieren auch die Widerstandskämpfer gegen den Faschismus und den Umstand, dass die Grenze zwischen heroischem Widerstand und kaltblütigem Mord eine feine Linie ist. So leisten sie bis heute Widerstand gegen Geschichtsklitterung, rührselige Verklärung und fordern geschichtsbewusstes Handeln ein, im Leben wie in der Malerei.

--
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit der Galerie Wonnerth Dejaco, die den Nachlass Robert Lettners betreut.
Das 2018 von Harald Krämer verfasste Buch zum Werk Robert Lettners ist in der Ausstellung erhältlich.
Robert Lettner
Das Spiel vom Kommen und Gehen
ISBN: 978-3-85415-567-6
Ritter Verlag --> Bestellink


Robert Lettner verstarb am 6. September 2012.
-->Hier der von Harald Krämer verfasste Nachruf

Mehr Texte von Werner Remm

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Robert Lettner - Widerstandsbilder 1968-1979
21.09 - 10.11.2023

Kunsthandel Giese & Schweiger
1010 Wien, Akademiestrasse 1
Tel: +43 1 513 18 43, Fax: +43 1 513 93 74
Email: kunsthandel@gieseundschweiger.at
http://www.gieseundschweiger.at/
Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-18, Sa 11-13h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: