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Mobilien (Movables): Intellektuelle Offenbarung

Mit der "Galerie im Taxispalais" gibt es eine Institution für zeitgenössische Kunst in Westösterreich, die auf einem erfreulich hohen Niveau kunstwissenschaftlich arbeitet. Produkt dieser Arbeit sind Ausstellungen von internationalem Format. Dabei haben in der Innsbrucker Galerie die unterschiedlichen Ausstellungsräume ihren je eigenen Charakter. Die Leiterin und Kuratorin der Galerie, Silvia Eiblmayr, denkt bei der Auswahl der Künstler immer schon die spezifischen Raumsituationen mit. Für die aktuelle Schau "Mobilien" (alltägliche, aber mit Geschichte behaftete Gegenstände) spielt Eiblmayr diese unterschiedlichen Raumqualitäten voll aus. So steht Jimmie Durhams Büroeinrichtung, die er mit Zement übergossen hat, in einem Raum, der nach oben verglast ist. Die Bürohengste der umliegenden Büros der Tiroler Landesregierung sehen täglich dieses zubetonierte Büro. Ein idealer Fall von Kunst vor Ort, der anarchisch-heimliche Wunschtraum jeder Sekretärin, die Büroeinrichtung nachhaltig zu demolieren, ist hier Wirklichkeit geworden. Auch die Arbeit von Tamara Grcic "Travelling Bags" passt räumlich genau. Die sieben gleichgroßen schwarzen Nylonreisetaschen sind in einem Zwischenraum einfach abgestellt und aufgerissen worden. Sie verweisen stimmig auf die moderne Völkerwanderung. Die Frage ist sofort da: Wo sind die Menschen, die zu diesen Taschen gehören? Auf der Flucht? Im Niemandsland zwischen Staaten und Behörden hin und her gestoßen? Verloren an den unbehausten Flughäfen, den Unorten unserer Zeit? Seth Price Internetrecherche zeigt in einem Kellerraum mit Metallrohren eine Abfolge von Fotos von Kinderspielzeug, das für Spielplätze angeboten wird. Price belässt die grobkörnigen Pixelfehler und montiert dazu nichtzusammenpassende Takte von Webern, Berg etc. Nicht bedrohlich, aber jedenfalls "strange", was für eine Sicht Erwachsene auf die Welt der Kinder haben. Olga Chernysheva zeigt Fotos von roten Orientteppichen, die, ursprünglich als Statussymbol betrachtet, verarmte Russen verkaufen mussten. Diese alten und schäbigen Teppiche, für die sicherlich nicht viel Geld zu bekommen war, werden so zu einer bedrängenden Metapher für die neue Armut in Russland. Kein anderes Medium könnte das so eindringlich verdeutlichen. Renee Green offenbart im Spiel mit harten Kontrasten den Punkt, wenn unwahrhaftiger Kitsch zu offensichtlicher Lüge wird. Ein Druck des 19. Jahrhunderts zeigt den sterbenden Mozart, umringt von vielen Freunden, wie er die letzten Noten diktiert. Eine Geschichtslüge: man weiß heute, wie dreckig und allein Mozart ins Gras gebissen hat. Die berührendste Position ist von Erzen Shkololli einem Kosovo-Moslem. Diese besteht aus einem Totenbett, das aus dem Besitz seiner Familie stammt. Es ist reich bestickt, und wird von Generation zu Generation weitergegeben. Als Readymade schafft es - sparsam beleuchtet - im "white cube" eine sakrale Atmosphäre. Die Toten, die auf diesem Bett lagen, sind abwesend und doch gegenwärtig. Diese staunens- und sehenswerte Schau in der Galerie im Taxispalais bietet nichts weniger als was Roger M. Buergel von einer guten Ausstellung fordert: "Intellektuelle Offenbarung".
Mehr Texte von Wolfgang Ölz

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Mobilien (Movables)
02.04 - 06.06.2004

Taxispalais Kunsthalle Tirol
6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Str. 45
Tel: +43 512 594 89 401
Email: info@taxispalais.at
http://www.taxispalais.art
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr


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