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Trevor Paglen. Hide the Real, Show the False: Nebelkerze im Nebel

Wie können wir eigentlich wissen, dass, was wir uns in einer Ausstellung „als Kunst“ ansehen, auch tatsächlich Kunst ist? Wer stellt sicher, dass die Berliner n.b.k. Kunst und nicht etwas ganz anderes zeigt – etwa, wenn Trevor Paglen (Jg. 1974) dort eine Ausstellung unter dem Titel „Hide the Real, Show the False“ präsentiert?  

Paglen gilt als Experte für den militärisch-industriellen Komplex der USA, was ihm den Ruf eines „politischen“ Künstlers, ja Aktivisten eingebracht hat. Seit Jahren beschäftigt er sich mit Militär und Geheimdienst, mit Überwachungs- und Kontrolltechnologien aber auch mit Verschwörungserzählungen, zu denen er teils investigative, teils spekulative Recherchen anstellt, um sichtbar zu machen, was aus politischem oder sonstigem Kalkül heraus „geheim“ und genau deshalb gerade nicht „un“-sichtbar bleiben soll. Das berührt den Wesenskern der Kunst. Ihre Königsdisziplin war auch schon in vormoderner Zeit „Sichtbarkeit“ überhaupt erst herzustellen – denken wir nur an all die Enthüllungsjournalismus-kompatiblen Weihnachts-, Auferstehungs- und Pfingstwunder der Malereigeschichte.

In diesem Sinne ist Paglen Traditionalist. Doch ist er auch ein versierter Verpackungskünstler, der seine Recherchen zu ziemlich voraussetzungsreichen Themen in attraktive Form bringt. So produziert er Hochglanzkunst, oft in fotografischer, manchmal skulpturaler Form, verpackt seine Erkenntnisse in Ausstellungsdisplays, Bücher oder NFTs, um sie auf den Kunst-, Wissens- und Lifestylemärkten dieser Welt unter die Leute zu bringen. Der Erfolg gibt ihm recht: Wer sonst ließe, wie bei seiner 2018 von einem US-amerikanischen Museum kofinanzierten Aktion „Orbital Reflector“, schon einen Satelliten als „rein künstlerische“ Skulptur – mittlerweile Weltraumschrott – ins All steigen? 

Auch „Hide the Real…” strotzt vor Nerd-Wissen, diesmal aus der Welt der Air Force-Spezialabteilungen für UFOs und Extraterrestrisches. Da gibt es schick gerahmte, laut Paglen technisch äußerst aufwändige Fotos sogenannter „UNIDS“: Objekte, die im All zu finden sind und deren Herkunft offiziell „unbekannt“ ist. Auf den Fotos zeigen sie sich als einsame Lichtlinie im kosmischen Nebel, die aber dringend auf die Erläuterung der Begleitbroschüre angewiesen sind, will man sie nicht einfach nur „schön“ finden. Ausführlich geht Paglen dem Konzept der PSYOPS, der psychologischen Kriegsführung nach, die er aufgrund der Verbreitung digitaler Technologien auf dem Vormarsch sieht. Stellt sich die Frage: Wer verantwortet das, wer profitiert davon? Regierungen, Konzerne, 007? Filetstück der Schau ist „Doty“, ein 66-minütiges S/W-Video: eine Mix aus X-File und YouTube-Expertentum. Da kommt ein Ex-Special Agent der Air Force zu Wort, der sich anekdotenreich über seine geheimdienstliche Arbeit – das Anwerben von Informanten in der UFO-Szene, die Fabrikation von Deck- und Tarngeschichten – äußert und zugleich fest an die Existenz außerirdischen Lebens zu glauben scheint. Echt?

Paglen zeigt auch – ge- oder erfundene? – Badges: subkulturelle DiY-Embleme, mit denen sich offenbar die Mitglieder von PSYOP-Einheiten schmücken. Ist die mysteriöse Symbolik ein Schlüssel zu den Kniffs der Psychomanipulierer? 

Könnte sein, dass das die Badges die interessantesten Bilder dieser Schau liefern. Als Ausstellung gefällt sich „Hide the Real…“ jedenfalls ein bisschen zu sehr darin, in einem Feld, in dem die Trennung zwischen Fakt und Fiktion unter digitaltechnologischem Druck tatsächlich nicht mehr so leicht zu ziehen ist, in den Nebel zusätzlich noch Nebelkerzen zu werfen.      

Mehr Texte von Hans-Jürgen Hafner

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Trevor Paglen. Hide the Real, Show the False
10.06 - 06.08.2023

n.b.k. Neuer Berliner Kunstverein
10115 Berlin, Chausseestr. 128/129
Tel: +49 (0)30 280 70 20, Fax: +49 (0)30 280 70 19
Email: nbk@nbk.org
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