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Marina Abramović - Energy Clothes: Coloured Pleasure

Marina Abramović muss man nicht vorstellen. Der in Serbien geborene Kunststar wurde zum Sinnbild der Ausdauer-Performance der letzten Jahrzehnte und kaum jemand wird diese Aufsehen erregende Künstlerin in ihrer Leistung - wobei sie öfters ihr Leben riskierte - in Zukunft übertreffen. Ihre Kunst wird durch die politisch-historische Situation sowie die Konflikte in ihrer Heimat und die inferiore Rolle der Frau/Künstlerin in der patriarchalen Gesellschaft (u.a. Tito Kult) des ehemaligen Jugoslawiens geprägt. Dagegen musste Frau sich mit oder ohne Feminismus, wirkungsvoll wehren. Abramovićs stundenlange Performance Balkan Baroque, die 1997 auf der Biennale in Venedig als Reaktion auf den Jugoslawienkrieg uraufgeführt wurde, bleibt durch ihre aussagekräftige Darstellung und das makabre Narrativ unvergesslich. 

Der achtsame, verlangsamte Umgang mit der Zeit, in der sie ihren Körper auf Schmerzverträglichkeit und Resilienz auf emotionelle Strapazen erkundet, bildet Abramovićs Markenzeichen. Es ist ein integraler Teil Ihrer Kunst wie auch ihrer Lebenspraxis. Drei Monate lang hat ihr Abschiedsritual mit ihrem Ex-Liebhaber und Künstlerpartner, dem Deutschen Ulay gedauert und er beruhte auf einem Spaziergang entlang der Großen Chinesischen Mauer jeweils von ihren entgegengesetzten Enden aus. Nachdem sich die beiden im Fernöstlichen wiedertrafen, erfolge die westlich-moderne Trennung, welche die einprägsame Ich-Präsenz der Künstlerin in ihrer Kunst einleitete. Etwas anders als bei Valie Export, die schon vor der Trennung (von Peter Weibel) ihr Abbild in ihrer Kunst eindrucksvoll einsetzte.

Es mag sein, dass auch die aktuelle Ausstellung von Marina Abramović, Energy Clothes, in der Galerie Krinzinger eine Trennung alias eine Wende im langjährigen Schaffen der vielseitigen Künstlerin markiert, bewirkt durch ihre physische Kondition und das Alter. Irgendwann stellt sich nebenbei auch die Frage, ob die Kunst die tiefen Bedürfnisse des Geistes des heutigen Menschen in der Form voller Expression oder zumeist durch „die radikale Allegorie des Todes“ auf Dauer befriedigen kann. Auf der Suche nach der Balance zwischen Rationalität, Technik und Spiritualität, Wissenschaft und Magie, Ordnung und Ekstase bzw. nach der Verbundenheit mit nicht-rationalen Kräften scheint die international renommierte Zeremonienkünstlerin (um den Begriff der Schamanin nicht zu strapazieren) einen neuen oder wiedergefundenen Fetisch zu haben: Der über ein Meter hohe einfarbige Spitzenhut (diesmal rot oder gelb-gold), der unseren Körper mit der (heute so kostspieligen) Energie versorgen soll: Beim Bügeln, Nachdenken in der Toilette oder anderen Alltagstätigkeiten, wie Abramović in ihren großformatigen fotografischen Arbeiten demonstriert, auf denen sie Energiehüte, Bänder und Energiemasken trägt. Das Transzendenz-Potential - einmal mit geschlossenen und ein anderes Mal mit offenen Augen - wird diesmal durch purifizierte Farbe ausgelotet. 1985 brachte Joseph Beuys die Zitrone und eine Glühbirne mit Steckerfassung in Verbindung, aber das ist eigentlich nicht direkt vergleichbar. Der bei Energy Clothes mitspielende Kapitalismus erscheint eher sanft und feminin: die Künstlerin greift teamorientiert in der Ausstellung auf ihr noch 2001 entwickeltes Projekt während eines Workshops mit Student:innen in Italien zurück und ihre Energieutensilien sind aus lokal angebauter Seide produziert. Das Anschauen inklusive der Aufnahme des wohltuenden Kamillendufts, der sich aus ihrer Installation Reprogramming Levitation Module (2000) im gegenüberliegenden Galerieraum verflüchtigt, ist gratis, wiewohl seine Dauer auch zeitlich beschränkt ist.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Marina Abramović - Energy Clothes
26.05 - 25.08.2023

Galerie Krinzinger
1010 Wien, Seilerstätte 16
Tel: +43 1 513 30 06, Fax: +43 1 513 30 06 33
Email: krinzinger@galerie-krinzinger.at
http://www.galerie-krinzinger.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 12-18, Sa 11-14 h


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