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Kerstin von Gabain: Imitation: Model home

Der kleine Ofen, der rechts an der Wand steht, einer, den man auch in einem Zelt anfeuern kann, mit langem Abzugsrohr und vier Standbeinen, hebt sich scharf vom weißen Raum ab. Der einzige Gegenstand im Raum wirkt hier zunächst als Besonderheit, allerdings im Sinne eines schwarzen Schafs unter lauter weißen. Denn während farblich und auch kategorisch ein harscher Gegensatz zwischen Objekt und Raum besteht, dockt das Gerät über das Abzugsrohr an den Raum an und wiederholt ihn mit der offenen Ofentür. Es besteht also durchaus eine Schnittstelle zwischen Körper und Raum.

Dazu kommt, dass der Ofen kein echter solcher ist, sondern Modell: er ist aus Karton und mit Ölfabe bemalt, besteht also aus zwei Werkstoffen der klassischen Malerei. Damit entwickelt sich die Schnittstelle zur Verwandtschaft und aus einem äußeren Verhältnis ist ein innerer Zusammenhang geworden. Neben der viel geringeren Beständigkeit des Papp-Ofens im Gegensatz zum Vorbild, woraus sich eine Aussage über die zeitliche Begrenztheit dinglicher Identität ableiten ließe, ist vielleicht auch die Tatsache zu beachten, dass Karton - nicht immer, aber häufig - historisch für vorbereitende Arbeiten genutzt wurde, besonders intensiv in der Freskomalerei, und sich also in das ohnehin ambivalente Verhältnis zwischen dem "Originalen" Ofen und seiner "Kopie" eine dritte Seinsart schiebt - das Modell.

Auch im oberen Stockwerk fallen diese Kategorien immer wieder in eins zusammen, zum Beispiel in einer vergrößerten Version eines verkleinerten Nachbaus einer Leiter; oder im Vogelhäuschen, das hier keinem Vogel ein Haus sein wird. Auch die Grenze zwischen Raum und den in ihm platzierten Dingen ist konsequent verwischt. Beide verzahnen sich in der lilafarbenen Reflektion, die ein zweiter Ofen, ein Kamin dieses Mal, an die weiße Wand wirft, oder im offenen Kanal des Rauchabzugs, der an einer anderen Wand angebracht ist. Gemeinsam mit dem Modellcharakter der Dinge, die aus ihrer Materialität, aber teilweise auch ihren fremdelnden Maßstäben herrührt, kippt das ganze Setting in ein Modellhaftes, wie es die Künstlerin bei ihrer Ausstellung 2021 schon einmal vorgeführt hat.

Ein lila Kuschelbär, der im letzten Raum auf seinem Rücken liegt, macht aus dem Ganzen einen Kriminalfall. Im Vordergrund steht aber nicht die Täterfrage, sondern die Frage, ob überhaupt ein Fall zustande kommt. Ob die vorgeblendete Falschheit der Dinge etwas verbirgt, oder ob ihr Sein sich im Schein erschöpft. Ob den Dingen etwas eigen ist, ob es einen Unterschied gibt zwischen ihnen und ihrem Sinn. Sie entwinden sich stets der genauen Fassung, ob ihrer Opazität, Stromlinienförmigkeit oder Verrückung. Und auch, wenn der durchchoreografiert szenografische Charakter der Situation sie in eine beruhigende Distanz rückt, bleibt das Kippmoment zwischen zwei parallelen Realitäten als Gefahr erhalten.

Mehr Texte von Victor Cos Ortega

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Kerstin von Gabain: Imitation
21.04 - 27.05.2023

Exile
1010 Wien, Elisabethstraße 24
Tel: +43 681 814 628 48
Email: info@exilegallery.org
http://exilegallery.org
Öffnungszeiten: Mi-Fr 13-18, Sa 11-15 h


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