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Sonne. Die Quelle des Lichts in der Kunst: Hypnotisiert von einer glühenden Grapefruit

Die „Rote Sonne“ von Arthur G. Dove hinterlässt doch einen gewaltigen Eindruck: Auf dem Gemälde ist mittig der rot leuchtende Ball, über ihm graue Wolken wie dichte Nebelschwaden, unter ihm ein dunkler Acker mit Hügeln und dahinter die apricot-farben verwaschene Ferne. All das mit den klaren Linien einer Neuen Sachlichkeit. Das Bild ist von 1935 und Arbeiten des Amerikaners sind hier noch nicht gezeigt worden.

Das Museum Barberini in Potsdam ändert dies nun, denn in der Ausstellung „Sonne. Die Quelle des Lichts in der Kunst“ ist das Gemälde zu sehen.

Dove ist eine wahre Entdeckung und das Bild ist auf vielen Ebenen eine Ausnahme. Dove (1880-1956) begann seine Karriere als Illustrator und reiste wie viele seiner Künstlerkollegen um 1900 nach Paris. (Dieser Bewegung geht gerade eindrücklich die Ausstellung „Paris Magnétique“ im Jüdischen Museum Berlin nach.) Als Dove mit einem Koffer voller Inspiration nach Amerika zurückkehrte, fand er sich in der abstrakten Malerei wieder – als einer der ersten in Amerika. Auf die spirituellen Werte kam es ihm an, figürliche Motive waren nicht mehr so dominant.

In der Ausstellung hier gehört die „Rote Sonne“ zu den wenigen Bildern, die amerikanischer Herkunft sind. Der Fokus liegt auf Europa und ist ein spannender Streifzug durch 2500 Jahre Kunstgeschichte – von der Antike bis in die Gegenwart. Der Kurator Michael Philipp illustriert anhand von 130 Zeugnissen bestehend aus Skulpturen, Gemälden, Manuskripten, Fotos, Medaillen, Büchern und Lichtinstallationen wie die Sonne über die Jahrhunderte hinweg rezipiert wurde. Für jeden Geschmack ist etwas dabei: Antike, Barock, klassische Moderne, Gegenwartskunst; Dürer, Dix und Delauney, um nur einige Namen zu nennen.

Es überrascht, dass dieses einfache, aber erhellende Konzept vorher noch nicht aufgegriffen wurde. Michael Philipp setzt dieses ambitionierte Projekt nicht im Alleingang um. Er arbeitete eng mit Érik Desmazières, Direktor des Musée Marmottan Monet. Dort ist nämlich Claude Monets Gemälde „Impression, Sonnenaufgang“ zu Hause. 1872 in Le Havre entstanden, schrieb das Bild Kunstgeschichte: Monets damals innovative Maltechnik, die ein diffuses Abbild der morgendlichen Stimmung hervorbrachte, war für viele seiner Zeitgenossen befremdlich – für andere war es eine Inspiration und der Impressionismus eroberte die Kunstwelt.

Der 175. Geburtstag des Klassikers mit seiner durchdringenden blutroten Sonne war Anlass, derselben in der Kunst auf die Spur zu kommen. So war die Ausstellung vorher in Paris zu sehen. Ein Triumph für Philipp ist es, das kostbare Gemälde für die ersten acht Wochen der Ausstellung nach Potsdam geholt zu haben – es geht nämlich äußerst selten auf Reisen.

Das gilt für viele Stücke, die er aus 60 Museen und Privatsammlungen aus allerlei europäischen Städten zusammengetragen hat, darunter aus Amsterdam, Oslo, London und Madrid – und jenseits des Kontinents, eben auch aus Washington D.C. Interessanterweise kommt daher nicht nur Doves „Rote Sonne“, sondern auch Peter Paul Rubens „Der Sturz des Phaëton“ (1604/05) und William Turners „Mortlake Terrace“ (1837), das die schillernden Reflektionen der Sonne auf der Themse zeigt.

Philipp hat seine Schätze nicht unbedingt chronologisch, sondern ideologisch aufgerollt. In acht Kapiteln deckt er auf, welche Beziehung der Mensch zur Sonne hat(te). In der Antike wurde sie als Sonnengott personifiziert. Aber auch irdische Herrscher, von Alexander dem Großen bis zu Napoleon, schmückten sich mit dem kosmischen Strahlenkranz und symbolisierten damit ihren ‚göttergleichen’ Status.

Die Mythologie setzte andere Zeichen: Wer sich anmaßte, der Sonne zu Nahe zu kommen, wurde bestraft, so wie bei Dädalus und Ikarus und dem weniger bekannten Phaëton. Die Sonne als Gefahr.

Ein Abschnitt geht auf die biblische Deutung der Sonne ein. Die Sonne war nicht mehr selber Gott, sondern Teil seiner Schöpfung, über die Gottes Wirken spürbar wurde. Aber der Themenkreis Gott-Sonne ist verstrickt und nicht klar abzugrenzen. Dank dem Aufbrechen der Chronologie begegnen sich hier, wie durch einen Zeittunnel, zwei Bilder, die beinah Zwillinge sein könnten: das pompejanische „Sol mit Sphaera und Peitsche“ (69/79) und Maarten de Vos’ „Segener Christus in Aureole (16. Jahrhundert). Beide zeigen frontal eine nackte männliche Figur mit einem Strahlenkranz um den Kopf, einer Kugel in der linken Hand und mit der rechten in eine Richtung weisend. Dabei konnte de Vos ersteres Bild nicht gekannt haben, da Pompeji erst im 19. Jahrhundert ausgegraben wurde. Es verblüfft.

Eine weitere spannungsreiche Gegenüberstellung präsentiert der Abschnitt Mensch und Kosmos. Auf der einen Seite ein Relikt des Mittelalters, des späten 14. Jahrhunderts: Tempera und Blattgold auf Holz, die „Vision Vision des heiligen Benedikt“ von Giovanni del Biondo. Darin blickt ein alter Mann mit wallendem weißen Bart und langer schwarzer Kutte zur Sonne; auf der anderen Seite eine Schwarzweiß-Fotografie mit der Rückenansicht einer nackten jungen Frau, die auf einem Felsen stehend ihre Hände zur Sonne ausstreckt – Carl Lochts „Weiblicher Akt“ (1925).

Die Ausstellung macht zudem Ausflüge in Bereiche, die in ihrer Weltanschauung nicht weiter von einander entfernt sein könnten: Esoterik und Astronomie.

Im Raum zur Landschaftsmalerei begrüßt den Besucher in der Mitte desselben das Kernstück der Ausstellung: Monets „Impression, Sonnenaufgang“. In Gemälden an den Wänden drum herum dominieren die Pastelltöne, in die die Sonne die Welt taucht, wenn sie morgens und abends tief am Horizont steht. Auffällig ist, wie sehr dieses festgehaltene Erlebnis an Wasser geknüpft ist; dem Meer, einem Fluss oder See.

Das von der Sonne entfachte Farbspiel leitet geschickt ins letzte Thema über: Intensive Strahlkraft. Farbe. Félix Vallottons „Sonnenuntergang. Oranger Himmel“ (1910) reiht sich hier ein. Er ist ebenfalls ein Maler, dessen Werke selten in Berlin / Potsdam zu Gast sind, obwohl seine Motive der damaligen Fin de Siècle Gesellschaft auch heute noch viel zu sagen haben. In dem Raum prangt auch Doves „Rote Sonne“. Sie besitzt ein markantes Detail, eine schwarze Spirale – so wie man sie in Comics findet in den Augen derer, die hypnotisiert sind. Und wer ist noch nicht der hypnotisierenden Wirkung der Sonne erlegen, wenn sie wie eine glühende Grapefruit am Horizont hinab gleitet?

Mehr Texte von Sabine Schereck

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Sonne. Die Quelle des Lichts in der Kunst
25.02 - 11.06.2023

Museum Barberini
14467 Potsdam, Humboldtstraße 5–6
Tel: +49 331 236014-499
Email: info@museum-barberini.de
https://www.museum-barberini.de/de/
Öffnungszeiten: Täglich außer dienstags 10-19 h


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