stoffARTen:: Gedruckt wie gestochen
Sind wir mitten in einem Hype? Haben wir ihn bald überstanden? Das Textile in der Kunst bekam verstärkt Aufmerksamkeit im letzten Jahrzehnt – mag sein, geboostet durch die Grundlagen-Ausstellung Kunst & Textil im Kunstmuseum Wolfsburg 2013 und den begleitenden gewichtigen Bildband von Markus Brüderlin herausgegeben, der Stoffe quer durch die Jahrhunderte und Kulturen beleuchtet; mag sein , weil 2017 in der Biennale von Venedig dem Textilen eine große Bühne geboten worden ist.
Ungeachtet der Betrachtung auf der Metaebene zeigt Georg Peithner-Lichtenfels unter dem Titel stoffARTen derzeit vier Künstlerinnen, die er z.T. seit über zehn Jahren vertritt und die im Lauf dieser Zeit vermehrt das textile Element in ihr künstlerisches Schaffen einbezogen haben – mehr oder weniger explizit.
Beim Betreten der Galerieräume begegnet man als erstes den – fast noch textilmäßig unverdächtigen - Arbeiten von Maria Wetter. Es sind locker-figurale s/w Glasmonotypien, sexy woman oder Hirsch-Fuchs-Wald. Die Leinwand ist allerdings nicht auf Keilrahmen gespannt, sondern weich unterfüttert, wird dadurch haptischer, „lebendiger“. Das wars fürs erste mit textil. - Nur wenn man den Blick auf einzelne Partien hinzoomt, bemerkt man, dass sie schwarz besstickt akzentuiert sind!
„Rauchzeichen“ nennt Lilly Hagg ihre düster-wolkigen, reliefartigen Stoff-Applikationen von Frauen im Wochenbett. Es ist eine künstlerische Reflexion der Bombardierung einer Geburtenstation in Mariupol, nur zweieinhalb Flugstunden von uns entfernt, die am 9. März 2022, ihrem 22. Hochzeitstag, stattgefunden hat, wie sie in einem Statement anmerkt. - Einige kleinere Formate aus dem Stephanus-Zyklus, der die Szenen Vittore Carpaccios aus dem späten 15. Jahrhundert minutiös als Stoffgemälde nachempfindet, entführen in ein imaginäres Venedig mit Kampfgeist, Grandezza und Heiligenschein. - Auch wenn es über sie lapidar heißt „arbeitet in Eitempera und Stoffflecken“, kann Lilly Hagg auf diverse Gestaltungs-Techniken aus Studium und Praxis zurückgreifen, u. a. Mode, Kostümbildnerei, Computergrafik, was nur spröde erklären kann, wie man zu diesen Bildwerdungen kommt: Es war ein sukzessiver Übergang von der reinen Malerei zu Bildern, die nur mit einfarbigen Stoffen komponiert wurden bis zur vollen Farb-, Muster-, und Strukturpalette, mit der sie jetzt spielt. Es gibt auch keine Berührungsängste zwischen Sticheln, Nähen und Kleben, das optische Ergebnis muss stimmen.
Ein mächtig geblähter, abere ungekrönter Frosch hockt mitten im Areal von Mela Diamant (früher Kaltenegger). Vom weißen Stoff hängen die dunklen Nahtfäden wie noch von Wasser triefend - jaja, die Prinzen... An den Wänden geht es tierisch und leicht ironisch weiter: Affenliebe I und II. Mela Diamant schafft auf ihrer Stoff-Grundlage erst ein Bett aus Motiven, die sie mit Siebdruck aufträgt und greift dann gewisse Details heraus, die aus Stoffen oder (Kunst-)Leder ausgeschnitten sind und mit Maschin-Zackenstich aufgesteppt werden. So entsteht eine Verdichtung und Überschneidung mehrerer „Realitäten“ – motivisch und sinnlich. Dieser direkte, lustbetont körperbezogene Zugang zu den Inhalten verbindet insgeheim die beiden der „4 Grazien“ Mela Diamant und Maria Wetter, die zeitgleich an der Akademie der bildenden Künste sowohl die Grafikklasse unter Gunter Damisch als auch die Tapisserieklasse absolviert haben.
Schließlich kommt man in die Gemächer von Eva Petric. Man erwartet unwillkürlich jene überdimensionierten Arbeiten, die - aus unzähligen Häkeldeckchen zusammengesetzt - neue kreisende „Universen“ schaffen und etwa auch schon im Stephansdom installiert waren. Aber auch sie ist nicht nur dem Textilen verfallen, sondern kommt von der Fotografie, was eine dreiteilige Arbeit hier veranschaulicht, in der die Künstlerin in bestimmten Situationen abgebildet ist und die Sujets mit zurechtgeschnittenen Häkelarbeiten zusätzlich aufgeladen werden. Die beiden filigran wirkenden Frauenfiguren, die ihre Existenzgrundlage der Akribie häkelnder Frauen früherer Generationen verdanken, wurden von Eva Petric in neue Lebenszusammenhänge gestellt – ein Sinnbild von „Es war einmal“ und „für immer“...
Das Textile birgt schier endlose Facetten und es ist immer wieder spannend, welche „Fäden“ von Künstler.Innen aufgegriffen werden. Es geht nicht unbedigt um das Ausloten immer ausgefeilterer Handwerklichkeit, die an sich Kunstwerke zustandebringt. Die Eingenschaftlichkeit des Weichen, stofflich-Haptischen – auch wenn nur optisch erfasst – wird sinnlich anders wahrgenommen, auch wenn in der Genese der hier gezeigten Bilder und Objekte gedruckt und gestochen wird.
11.03 - 01.04.2023
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