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Margaret Salmon - Monument: Von der Poesie des Dokumentarischen

„...es geht nicht darum, dass ich einen Blick auf jemanden werfe, sondern darum, dass ich jemanden einlade, mit mir zusammenzuarbeiten, und oft bin ich wirklich berührt und inspiriert von der Offenheit und dem Interesse von Menschen, sich an dem Prozess zu beteiligen.“

Bei all den Bildern, die heutzutage im Alltag durch Überwachungskameras und sonstige ungewollte Aufnahmen von uns gemacht werden, wirken derlei Ansätze für die dokumentarische Arbeit der Filmemacherin Margaret Salmon, nachgerade einfühlsam bis human, doch wirft er ebenso eine ethische Frage auf: „Wie fühlt es sich an, jemanden zu filmen, und ist der Austausch fair oder übergriffig?“

Margaret Salmon präsentiert mit ihrer Ausstellung „Monument“ in der Galerie des Untergeschosses der Wiener Secession nicht alleine ihre Filme, sie gibt Auskunft über ihren Ansatz, Einblick in die Arbeitsprozesse, erklärt Rahmenbedingungen und schafft Filme von einer ruhigen Präzision und beinahe lapidaren Leichtigkeit. Dabei geht es mitunter um nicht weniger als die körperliche und psychische Entwicklung von Jungen in Großbritannien. Wie viel Zeit, wie viel Vertrauen ist von den Agierenden vor und hinter der Kamera wohl nötig, dass die Heranwachsenden in derlei dokumentierte Selbstvergessenheit zu geraten, wie viel Raum gibt ihnen die Künstlerin hierfür? Reich an Anspielungen und Referenzen, die nie aufdringlich wirken, fügen sich diese feinsinnigen Momentaufnahmen zu einer „coming of age“- Dokumentation.

„Boy“ (winter), so der Titel des Ende 2021 in Glasgow gedrehten halbstündigen 35mm-s/w- Films, ist der der erste Part einer zweiteiligen Reihe von Filmen die sich mit Männlichkeit im allgemeinen und geschlechtsspezifischen Dynamiken im besonderen auseinandersetzt. „Study for a Film About Monuments, 2023“ zeigt in einem s/w-Film Überlegungen zum zweiten Teil der Reihe, präsentiert in Form eines vierteiligen Monitorturms. Auch diesmal geht es um Männlichkeit, doch stehen diesmal Erfahrung und Selbstreflexion im Zusammenhang mit Statuen von männlichen Helden in West-Schottland im Zentrum.

Gleich neben diesem Zwischenbericht laden zwei Sesseln zum Verweilen vor einem 16mm-Farbfilm ein, der auf rührende Weise die beiden anderen Streifen zu ergänzen scheint. Nach dem Werden und dem Sein, folgt in der Trias der drei Lebensalter nun das Vergehen. Margaret Salmon hatte kurz vor dessen Tod den Dokumentarfotografen Jean Mohr und seine Ehefrau, die Dokumentarfilmerin Simone Mohr-Turrettini in deren Haus getroffen und war affiziert von der „Atmosphäre der Kreativität und Fürsorge, die in diesem Haus herrschte“. Und weiter: „Indem ich diese Aussschnitte aus meiner Zeit mit Simone und Jean teile, möchte ich Hierarchien von isolierter Autorenschaft und männlicher Autorität in Frage stellen und gleichzeitig zwei starke, kreative und intelligente Menschen würdigen.“

Im Zwischenbereich der filmischen Installationen bleibt der Blick auf kleinen Objekten des Alltags und Fotografien hängen. Arrangements die womöglich nicht sofort mit der Thematik der Reihe in Verbindung gebracht werden können. Vielmehr zeugen diese Objekte von einer gewissen Poesie der peripheren Dinge, die der häusliche Alltag gleichsam en passant an den Rändern der Wahrnehmung ablagert.

Und schließlich konnte sich die Künstlerin mit der Publikation zu der von Annette Südbeck kuratierten Schau noch einen lang gehegten Wunsch erfüllen. „Cinematographa. Introduction to Analogue Filmmaking“ versteht sich als Handbuch samt fotografischer Anleitungen für Super-8, 16mm-, und 35mm-Kameras und ist mit Texten versehen, in denen neun Filmemacherinnen über ihre Erfahrungen Auskunft geben. In Zeiten, in denen Analoges mehr und mehr wieder gefragt ist, eine wahre Fundgrube. Dass die Wiener Secession neuerdings all die neuen Publikationen frei zum Download* zur Verfügung stellt, macht die Sache durchaus interessant. Dennoch bleibt es Teil einer beispielhaft gelungenen Präsentation, die nicht nur drei filmische Arbeiten zeigt, sondern ganz offen und demokratisch den Zugang zur Thematik, deren technische wie ästhetischen Umsetzung den Umgang mit Mensch und Motiv darlegt.

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* https://secession.at/category/digital_publication

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Margaret Salmon - Monument
28.04 - 18.06.2023

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
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