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Johannes Kofler - keine geschichten zu später stunde: Freilassen und zurückhalten

Es ist bestimmt nicht die zentrale Frage, die Johannes Kofler (geboren 1982 in Sterzing, Italien) umtreibt, aber doch eine, die sich den Werken ablesen lässt: die Frage nach dem Abschluss einer Arbeit. Einmal raus aus dem Atelier beenden sich Malereien irgendwie selbst. Es ist, was hängt, da lässt sich nicht rütteln und nicht schütteln. Aber ein paar Hintertüren lässt sich Kofler in seiner ersten Einzelausstellung doch offen. Es wirkt weder trotzig noch aufgesetzt, wenn die Betitelung einer Leinwand nur auf seitlich angebrachtem Klebeband geschieht, anstatt den Werken ihre Namen in den Keilrahmen zu brennen oder sie sogar auf die Vorderseiten einzuschreiben. Vielmehr nimmt sich der Künstler glaubhaft selbst zurück vor dem Eigenleben seiner Werke, und man nimmt ihm die Wertschätzung des Mehrdeutigen (weil potenziell unter verschiedenen Namen auftretend) als ehrlich ab. Man könnte einiges an Verwirrung stiften, würden die Namenschildchen ihre Träger wechseln und aus einer „Axt“ (2019) würde „Es muss Liebe sein“ (2020). Begriffsfeststellungen sind arbiträr und wie Nietzsche sagt nur „Residuen von Metaphern“. Trotzdem lassen sich von Zeichen wie Wörtern – oder Bildern – doch auf die Vorbilder der Repräsentation rückschließen. Ob die Transformation darin besteht, aus verallgemeinernden Abstraktionen (wie einer Begriffs- oder Formfixierung) zurück zu einer Einzigartigkeit zu gelangen, in welcher ein Gegenstand mit sich, und nur mit sich, zusammenfällt, oder ob der Übergang in die andere Richtung geschieht – vom subjektiven Eindruck hin zu einer objektiven Essenz – bleibt offen.

Viele der Malereien sind vorderseitig mit Koflers Monogramm, einem einfachen „JK“ signiert. Er teilt sich dieses mit einem Vorfahren, einem Holzhändler, und ähnlich dem Brandmarken der Holzstämme, das sich mehr ins Material eingräbt, als das es aufgebracht wird, sind auch die Signaturen des Malers Kofler relativ tief ins Material eingeschrieben. Früh im Prozess, scheint es, wird signiert und fortan um die Unterschrift herumgemalt. Oder das Monogramm wird später ausgeschabt. Jedenfalls dringen an der Stelle alte Farbschichten nach oben. Das Werk kann so von Anfang an fertig, oder der Idee vom abgeschlossenen Werk ein Misstrauen ausgesprochen sein.

Kofler malt Panoramen wie Nahaufnahmen, Menschen wie Tiere, Pflanzen wie Feuerzeuge. Er geht Flächen genauso wie Linien an, das Abstrakte wie Figurative, Körper wie Raum, Profanes wie Religion. Der großen Bandbreite an Motiven und Bildausschnitten steht ein variantenloser Stil entgegen – ein signature style, der Anleihen an der Kunstgeschichte macht. Textur gehört deshalb zum Wenigen, von dem kein Reichtum in den Bildern ist. Einerseits. Andererseits kommt die Textur nicht über die Repräsentation, sondern als Material selbst zu ihrem Reichtum. Kofler malt mal trocken, mal nass, mal opak, mal lässt er dünne Farben rinnen. Manchmal wird sogar die Leinwand mit Denim-Stoff bespannt.
Oft sind Bildobjekte innerlich verwaschen und luftig und nach außen hin zu dichten Farbmassiven abgegrenzt. Die rahmende Linie hat dabei die Doppelnatur von Abhängigkeit als Silhouette (wird sie von Innen gedacht) und Freiheit als gestalterisches Mittel (wird sie von außen gedacht) und behauptet so selbstbewusst ihre Souveränität wie sie sich selbstlos in den Dienst der Formvorlage stellt.

Blicke auf Biertrinker gegenüber und auf einen Gekreuzigten von oben, auf eine Bergalm vor Wolkentürmen und auf eine ruhende Axt, auf Schwäne am dreckigen Ufer und auf das Feuerzeug in deiner Hand. Blicke, die ruhen und angesichts einer besonderen Präsenz der Gegenwart etwas zu suchen zu scheinen. So, wie die Signatur die Farbschichten durchbricht, treten persönliche Vergangenheit und eine Gefühlswelt an die Oberfläche und werden zu ergründen versucht. Es sind misstrauische Blicke, die den Dingen, auf die sie fallen, nicht trauen, aber auch nicht dem Blick, der die Dinge einfängt. Und doch ist eine liebevolle Zuneigung zu ihnen, zur Anschauung wie zum Anschauungsobjekt, ausgedrückt, in der Behandlung der Bilder, die dem Material frönt, Offenheit zugesteht, echte Aufmerksamkeit schenkt. Mehr als nur das Bestreben dazu, die Dinge zu lieben, ist in den Bildern zu finden. Und erfüllt sich dies Bestreben – in gewissem Sinne – nicht von selbst?

Mehr Texte von Victor Cos Ortega

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Johannes Kofler - keine geschichten zu später stunde
27.01 - 11.03.2023

Galerie Elisabeth & Klaus Thoman
1010 Wien, Seilerstätte 7
Tel: + 43 1 512 08 40
Email: galerie@galeriethoman.com
http://www.galeriethoman.com
Öffnungszeiten: Mi-Fr 12-18, Sa 11-15 h


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