Heinrich Dunst - sink: Poetische Scharniere
Die Heinrich Dunst-Personale in der HALLE FÜR KUNST zeugt von experimenteller Frische. An einer Wand sind pinke Austrotherm-Dämmplatten montiert, sie kleiden als Readymades eine Querseite des Raumes aus. In massiver Anzahl um uns herum verbaut, nisten sich diese Werkstoff-Objekte im Alltag hinter Oberflächen wie Häuserfassaden ein und verschwinden, Heinrich Dunst gräbt sie hervor, erhebt sie zu ästhetischen Gebilden. Ebenso zweckenthoben miteinander verspachtelter Gipskarton in red, ein in der Bauwirtschaft gängiger Prozess, der durch die handwerklich gerakelte Spur nun zur abstrakten Geste in Gerhard Richter-Manier wird. sink, ein Waschbecken mit zwei applizierten Abdichtungsmatten in Form schwarzer Rechtecke beziehungsweise Quadrate, lässt an den Konstruktivismus á la Malewitsch denken, ein nicht verifizierbares Kunststoffteil, vermutlich Unterstück eines PKWs, ähnelt einer zeitgenössischen Skulptur. Dazwischen befinden sich Werkgruppen wie The Door mit differenten, doch aus dem aus demselben Holz geschnitzten Materialien, in diesem Fall ein gerahmtes, leeres Zeitungspapier, eine synthetische Pressspanplatte, eine Türzarge sowie eine gedruckte Seite der New York Times mit übermalten, auf die Zeitung hin referierenden Schriftzug. Die sonst so stillen, scheinbar nichtssagenden Massenobjekte klingen durch die ihnen auferlegte Dramaturgie. Fast konträr doch einzig logisch mag es erscheinen, dass sie als verbundenes Ensemble zur kunstgeschichtlichen Einordnung drängen.
Heinrich Dunst beschäftigt das Verhältnis der Gegenstände zueinander, aber auch das relationale Ineinandergreifen von Objekt, Sprache, Geschichte und Wirklichkeit, sowie das Spiel mit Zeichen und Bezeichnetem. Durch erschwingliche, plastische Materialien fordert er Codes heraus, will sich nicht einordnen, ohne zeitgleich auszuscheren. Seine Werke betreiben offenes Wortspiel, sie reiben sich an Realitäten und befreien sich von ihnen. Die titelgebende Installation sink ist Beispiel dafür, wo ein benutztes Waschbecken aus seiner ursprünglichen Funktion enthoben in die Dysfunktionalität gleitet, mit der Öffnung zur Wand gehängt wird und nicht ohne humorvolles Augenzwinkern auskommt. ‚sink‘ suggeriert dabei ein als Lexem angelegtes, plurales Wortgeflecht, weil es im Englischen nicht nur das deutsche Substantiv ‚Spüle‘ bezeichnet, sondern auch für das Ein- und Absickern lassen steht, im Sinne eines Transfers von Objekten hin zu anderen, potentiell möglichen Formen. Die sprachliche Nähe zu „think“, die enge Verflechtung zwischen Idee und Ausführung, ist wohl selbstredend. Nicht zufällig weist dann die unmittelbar an sink angrenzende Wandmalerei abstrakt anmutende Rechtecke voller konkreter Bildelemente im Untergrund auf, die durch ihre schwarze Bemalung entgleiten und Gegenstandslosigkeit vorgaukeln. Was sich wie ein Manifest Dunsts liest, ist der Versuch gegebene Verhältnisse umzudrehen oder anders zu denken. Dunst lässt sie in dieser Ausstellung isoliert in neuen Diskursen aufgehen oder aber ins Leere laufen.
Die Schau baut auf Konnexe auf, aber nicht nur. Was geschieht, wenn jene binären Elemente im Ausstellungskontext aufeinanderprallen, deren Geschichte sich in der Vergangenheit irgendwo trifft, dann auseinanderdriftet, zeigt Dunst durch Sichtbarmachung trennender Risse. Dafür greift er auf neu und vor Ort entstandene Werke zurück, die miteinander kommunizieren, doch ihr Eigenleben behalten. Für die Dauer der Ausstellung besteht ein ineinander verschachteltes Verhältnis, das nach dem Abbau in sich zerfallt und auch in der Reihenfolge der zu lesenden Anordnung austauschbar bleibt, weil es mit seinen Leerstellen offen und lose ist. So neigt die Ausstellung so gut wie nie dazu, in der Hülse stecken zu bleiben, sie federt am spröden Materialismus ab, weil sie das schnöde Künstliche in seiner Ästhetik und Referenzialität zu fassen versucht. Eine historische Arbeit, ein mit Öl umgebenes, schwarzes Sperrholz aus den 1990ern – in seiner Form ähnlich der Wandmalerei und doch leibhaftiger - zeigt dann noch, wie sich Lesarten durch umliegende Bezugsrahmen zeitlich ändern können und plötzlich fluide werden. Stellt sich nur die Frage, ob man die an sich sehr gelungene, fast ausnahmslos auf aktuelle Arbeiten begrenzte mediale Referenzsuche nicht noch auf weitere ältere Positionen des Künstlers ausweiten hätte können.
28.01 - 30.04.2023
Halle für Kunst Steiermark
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