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Art Cologne: Die Region als Standortvorteil

„Wenig divers“ sei das Angebot der Kolleg:innen, findet ein auswärtiger Erstteilnehmer der Art Cologne. Wenn mit divers die gerade durch den New Yorker und Londoner Markt-Turbo gejagten Vertreter:innen einer bisher als vernachlässigt geltenden regionalen, geschlechtlichen oder ethnischen Minderheit gemeint sind, mag das stimmen, denn das Rheinland war noch nie der Marktplatz, an dem Newcomer zu den aktuell geforderten sechs- und siebenstelligen Beträgen nachgefragt wurden. Andererseits weiß der Kölsche Volksmund: „Jede Jeck is anders.“ - Toleranz und Vielfalt sind Teil des rheinischen Selbstverständnisses. Gerade wurde der ursprünglich Kölner Galeristin Monika Sprüth der Art Cologne-Preis verliehen, weil sie ganz selbstverständlich schon seit Jahrzehnten  Künstlerinnen eine Plattform bietet – und damit Erfolg hat. Und nach wie vor ist Köln auch der Ort, an dem sich Künstler:innen entdecken lassen, denen nicht der gerade erworbene Akademiebrief vergoldet wird. Die einheimische Galerie Drei etwa zeigt die computergenerierten Gemälde von Matthias Groebel, der seit Jahrzehnten von der Kunstöffentlichkeit praktisch unbemerkt gearbeitet hat und jetzt eine späte Karriere erlebt. Besonders seine jungen Kolleg:innen sind begeistert von seinem Werk, vielleicht, weil sie in ihm ihre Klassische Moderne entdecken - oder zunächst überhaupt nicht wissen, dass diese so aktuell wirkende Bildsprache nicht gerade eben, sondern schon vor 30 Jahren entwickelt wurde.

Gleichwohl hat die Art Cologne ein Imageproblem. Sie gilt als behäbig und im internationalen Wettbewerb etwas hinterher. Aus der Corona-Pandemie ist der Kunstmarkt nicht nur digitaler, sondern auch noch gespaltener hervorgegangen: In ein von Investorenspielgeld befeuertes Hochpreissegment – und den ganzen Rest.

Die Art Cologne ist in dieser Zeit aus dem Frühjahr wieder dauerhaft auf ihren alten November-Termin gerückt, doch statt der Fiac gibt es nur wenige Wochen vorher jetzt einen Art Basel-Ableger. Wie sieht Art Cologne-Direktor Daniel Hug die Situation? „Wir leben in einer Umbruchszeit“, sagt er. „Einige Messen sind gefährdet, neue werden entstehen. Da wird noch viel passieren.“ Dass Paris+ ein Gamechanger sei, glaubt er nicht: „Wir hatten zwei Time-Slots zur Verfügung, einen im Frühjahr, einen im Herbst. Die mittelgroßen Galerien, also die Mehrheit der Aussteller wird davon profitieren. Für die Megagalerien ist der Termin weniger günstig. Ich glaube aber auch nicht, dass eine Messe irgendwo auf der Welt einen Monat früher einen Unterschied macht für uns.“ Aber zieht Paris nicht noch die letzten internationalen Besucher ab? Schließlich wird wohl kaum ein Sammler aus den USA alle zwei Wochen nach Europa fliegen, um dort eine Kunstmesse zu besuchen. „Selbst bei der Art Basel kommen 70 Prozent der Besucher aus der größeren Region“, erklärt Hug. „Bei uns sind es ungefähr 80 Prozent, vielleicht 85 Prozent. Kunstmessen sind überall weitgehend regional. Es kommt auf das Profil an. Das hat sich bei uns ein wenig verändert.“ Er sieht dabei auch einen Standortvorteil: „Die Region Rheinland, NRW und Benelux hat allerdings ein riesiges Potential an Sammlerinnen, Sammlern, Museen und Kultureinrichtungen. Von daher sind wir hier wirklich gut aufgestellt. Die Art Cologne ist insofern auch besonders, als es in Deutschland sehr viele Galerien hat. Und wenn ein Künstler international erfolgreich ist, wird er höchstwahrscheinlich auch durch eine deutsche Galerie vertreten.“

Die Art Cologne und ihr Zeitgenossen-Sortiment sieht Hug also auf einem guten Weg. Das neue, übersichtlichere Hallen-Layout verleiht der Messe auch ein frischeres Erscheinungsbild. Doch wie sieht es aus mit dem anderen Teil der Messe? Die ehemalige Westdeutsche Kunst- und Antiquitätenmesse hat einen langen Leidensweg hinter sich, zuletzt als Cologne Fine Art, mal mit, mal ohne Design im Namen und eher als Anhängsel der Hauptmesse. Sie gibt es nicht mehr. Ihre Reste sind als Art + Object mit 13 Ausstellern in das Untergeschoss integriert. Die Abteilung soll als Nukleus eines Neuanfang dienen.

Kurator Sebastian Jacobi, der als Designhändler mit seinem Unternehmen meinweiss aus Bad Ems selbst Aussteller ist, erläutert sein Konzept: „Wir führen dem Besucher im Rahmen unserer Messe vor, wie man mit Kunst und Design leben kann.“ Er sieht seine Zunft in einer erweiterten Rolle:  „In den USA oder Frankreich ist es völlig selbstverständlich, dass man einen Interior-Designer hat. Ein Design- oder Antiquitätenhändler ist ja nicht nur Verkäufer, sondern auch Berater. In Deutschland glauben viele Menschen, dass sie alles selbst machen können.“

Dabei hat er viel vor: „Mein persönlicher Anspruch ist, dass wir ein Format etablieren können, das im europäischen Vergleich unter den Top drei der Messen für angewandte Kunst existieren kann. Wir wollen Zug um Zug die Teilnehmerzahl wieder vergrößern. Der Schwerpunkt wird im 20. Jahrhundert liegen und auch zeitgenössische Positionen zeigen. Persönlich ist mir allerdings auch die alte Kunst ganz wichtig.“ Allerdings müsse auch das Publikum mitziehen: „Wenn die Deutschen wollen, dass es auch künftig solche Formate beziehungsweise Messen in Deutschland gibt, dann müssen sie auch bereit sein, ihr Geld in Deutschland auszugeben. Das ist wie mit dem Sterben der Innenstädte: Man kann sich nicht darüber beschweren und gleichzeitig bei Amazon bestellen.“

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Cologne
16 - 20.11.2022

Art Cologne
50679 Köln, Hallen 4 - 5, Messeplatz 1
Tel: +49-221 821 32 48
Email: artcologne@koelnmesse.de
http://www.artcologne.de
Öffnungszeiten: täglich 12 - 20 Uhr


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