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Alina Kunitsyna - Le Bain of Love: Ansichten zerknüllter Wäsche, vorgestellt

Alina Kunitsyna (geboren 1981 in Minsk, Belarus) stellt in der Galerie Kandlhofer mehrere Werkserien aus dem vergangenen Jahr aus, bestehend aus mehr als zwanzig Gemälden und mehreren Kleinskulpturen. Eine Reihe von fünf Tondi zeigt cremeweiße Stoffe mit blassblauen Streifen, zu Haufen zusammengeknüllt und vor einen dunklen Hintergrund gesetzt. Die Titel der Bilder, „Le Bain turc“ (I-V), und der der Ausstellung, „Le Bain of Love“, greifen den Namen eines Gemäldes Jean-August-Dominique Ingres‘ auf, das heute im Louvre hängt. Auf diesem Pariser Bild bietet sich eine Menge nackter Frauen (Frauenkörper) dem Betrachtenden (Betrachter) in allen möglichen Ansichten und Posen dar, das namensgebende Becken ist an den Rand gedrängt. Eine zentrale Rückenfigur, von etwas wärmerem Inkarnatston als der Rest der Frauen, trägt hier ein zum Knoten gewickeltes Kopftuch, ganz ähnlich den Stoffen Kunitsynas. Das direkt einfallende Licht und die warme Farbe der Schatten machen es zu dem Teil des Bildes, an dem Textur und Körperlichkeit den höchsten Grad erreichen und das Motiv des Zeigens und Verhüllens auf den Punkt gebracht wird. Die feine Gestaltung der Schatten und Lichter Kunitsynas steht derjenigen Ingres‘ in nichts nach. Die Aquarelle, in denen die Kleinformate (76 x 56 cm), und die Ölfarbe, in denen das eine großformatige Gemälde (180 x 180 cm) ausgeführt sind, erlauben den Farben Beweglichkeit und Lebendigkeit, die Tiefen und Höhen erzeugen eine starke Präsenz und Haptik und die Überführung der Motive aus dem konkreten in den abstrakten Raum verbaut dem erkennenden Blick seine Fixierung, die Betrachtung als Sehen wird forciert.

Man kann die Arbeiten unter dem Aspekt der Weiblichkeit lesen. Gleich am Eingang hängt eine Reihe von Aquarellen, auf denen Gläser voller frischen Bluts abgebildet sind: „Don’t disturb my circles“ (2-6). Das Blut zieht an den Innenwänden der Behälter teils wilde Schlieren und kontrastiert mit der Reinheit ihres hellen Settings. Dazu prangt am anderen Ende der Galerie eine monumentale Komposition, auf welcher Stoffhaufen zu einem liegenden Körper drapiert sind: „Beach Babe“. Das Feminine hat aber durchaus auch Möglichkeit, zu einem allgemein Körperlichen zu werden, und das ist die Stärke der Werke. Der Tastsinn wird von der erwähnten Plastizität und Textur der Malereien durchgehend angesprochen, genauso wie durch die Auswahl der Bildmotive – Blut, Tuch, Gold und Sneaker.

Was Ingres zeigt, ist ja weniger eine Badeszene als die Vorstellung einer Badeszene. Insofern drückt das Gemälde einen bestimmten Typ der Übersetzung und Projektion aus. Diese Einordnung kann vielleicht einen Weg aufzeigen, wie mit den sprachlichen Zusätzen umgegangen werden kann, die einigen Tuchdarstellungen beigefügt sind. „qualvollbetört“ steht da zum Beispiel, oder „akustischintim“. Vielleicht also Mittel zur kritischen Betrachtung der Verbindungen zwischen Sprache und Bild, Bild und Bedeutung, Blick und Erblicktem, und dem vorschnellen Erkennen ein Sehen entgegenzusetzen. Das ist Widerstand gegen die Blindheit von Vorurteilen.

Der Körper ist in „Le Bain of Love“ das Innere, der Fuß, der im Schuh steckte, das Blut ohnehin, das Ding unter der Hülle, der Goldklumpen. Er ist etwas ganz Konkretes und Fassbares, aber er ist auch der Bereich von so etwas Abstraktem wie Identität und Sehnsucht. Kunitsyna kehrt dieses Innere nach Außen, verschafft dem Verhüllten ein Gesicht, das Maske ist, aber gerade dadurch zwingt, hinter die Oberfläche zu sehen. Hinter diesen Oberflächen, und hinter der starren Inszenierung steckt Leben – und eine nächste Ebene, die sich ihr Geheimnis beibehält.

Mehr Texte von Victor Cos Ortega

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Alina Kunitsyna - Le Bain of Love
18.11.2022 - 14.01.2023

Galerie Lisa Kandlhofer
1040 Wien, Brucknerstraße 4
Tel: +43 1 5031167
Email: info@kandlhofer.com
http://www.kandlhofer.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-19, Sa 11-16 h


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