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Rosemarie Trockel: Kanon statt Kontext

Rosemarie Trockel (Jg. 1952) zählt zu den wichtigsten und, wenn man dem guten alten „Kunstkompass“ traut, international gefragtesten Künstlerinnen aus Deutschland. An ihrer Platzierung als praktisch „ewige Vierte“ konnte nicht einmal die Ankündigung rütteln, Trockel würde nach ihrer Werkschau im Kunsthaus Bregenz 2015 für sieben Jahre auf Einzelausstellungen verzichten. Die Frist ist um. Dass Trockel Ende letzten Jahres zudem ihren 70. Geburtstag feierte, macht das Timing – nach einem kleinen Warm-up im Londoner Ableger ihrer Hausgalerie Sprüth Magers – für die Riesen-Retrospektive im Frankfurter MMK nur umso plausibler.

Inhaltlich gibt es durchaus Gründe für das Projekt. So klangvoll das Brand „Trockel“, verbindet sich damit kein charakteristischer signature style – womöglich eine Qualität des Werks. Das ist tatsächlich sehr heterogen und schwerlich auf ein Schlüsselmedium oder -thema festzulegen. Oft wird auf die maschinenfabrizierten Strickbilder verwiesen, die – in Frankfurt in Fülle, nicht aber in bester, die historische Genese und thematische Varianz dieser Werkgruppe widerspiegelnden Auswahl – am ehesten als Signet taugen. Wohl, weil sie sich für einfache Parteinahmen eignen. Wo die einen ein „feministisches Markenzeichen“ sehen, reduzieren andere die Künstlerin daher machohaft plump auf eine Kunstbetriebs-„Strickliesl“.

Selbst die wohlmeinende Verlegenheitsvokabel des „Konzeptuellen“ führt aber nicht allzu weit bei einem Oeuvre, in dem es um Ideenmaterialisierung in traditioneller Werk-/Warenform geht, egal, ob Zeichnung, Keramik, Video oder Strickerei. Keinen kategorialen Unterschied macht, ob Trockel nun selbst Hand anlegt oder produzieren lässt. Allenfalls verbindet eine kalkuliert künstliche flimsiness die diversen Werkstränge.

Das weist womöglich auf die frühe Zeit in der Kölner Kunstszene der 1980er-Jahre zurück. Dort durfte, im Kontrast zur edelproduktionsverliebten Düsseldorfer Kunstwelt – --> siehe Mucha in der Kunstsammlung NRW –, Kunst nur nicht zu gut gemacht aussehen. „De-skilling“ war ein Schlagwort der Stunde: seither ein eigener akademischer Standard. Im Falle Trockels ist das Gestenhafte, Lapidare zudem ein Marker, der für künstlerische Selbstbestimmtheit steht – wenngleich es „Autonomie“ in progressiven Kunstkreisen derzeit eher schwer hat. Nicht zu unterschätzen: Trockel trug wesentlich zur „Eindeutschung“ der aus dem Umfeld der US-amerikanischen „Pictures Generation“ geläufigen künstlerischen Aneignungsverfahren bei, mit Exponenten wie Barbara Bloom, Robert Longo und Cindy Sherman. Da wäre interessant, ihr Werk unter durchsetzungsstrategischen Vorzeichen auf seine zweifache, transatlantische Lesbarkeit hin zu diskutieren.     

Kontext kommt aber wieder mal zu kurz in Frankfurt. Toll zwar, wie die Arbeiten an und für sich zur Geltung kommen (und den hochtourigen Diskurs-Jive der Begleitbroschüre deshalb nicht zu fürchten brauchen). Warum auch die als Siebdruck direkt auf die Foyerwände aufgebrachten Maschen-Pattern „Prisoner of Yourself“ (1998) groß erklären? Warum es nicht dem Zusammenspiel aus Material, Form und Referenz überlassen, wenn hier ein mit transparenter Plastikfolie bedeckter Stahlabguss eines grotesk langen Designersofas („Copy Me“, 2013) rumsteht, dort Trockels berühmte, zu post-minimalistischen Bildobjekten umgestalteten Herdplatten („ohne Titel“ und „Unplugged“, 1992 bzw. 1994) im dramatisch dunklen Ausstellungssaal hängen? Solche Werke sprechen hinlänglich für sich, nicht immer mit langer Wirkung.

Dass sich MMK-Direktorin Susanne Pfeffer ganz auf das Werk verlässt und es allenfalls durch auratische Inszenierung zu bestmöglicher Entfaltung bringen will, passt gut zu Trockels Arbeiten. Zudem ist die kommentarfrei „direkte“ Begegnung mit Kunstwerken als Vermittlungsansatz im heutigen Ausstellungsbetrieb rar geworden – und allein deshalb den Eintritt wert. Die Crux: ´historische Einordnung und Revision bleiben aus, als müsste Kunstgeschichte angesichts einer bereits früh kanonisierten und seither recht munter weiter produzierenden Künstlerin zwangsläufig auf der Stelle treten.

Mehr Texte von Hans-Jürgen Hafner

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Rosemarie Trockel
10.12.2022 - 18.06.2023

MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt
60311 Frankfurt, Domstraße 10
Tel: +49 - 69 - 212 - 304 47, Fax: +49 - 69 - 212 - 378 82
Email: mmk@stadt-frankfurt.de
https://www.mmk.art
Öffnungszeiten: Di 10-17, Mi 10-20, Do-So 10-17 h


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