The New African Portraiture. Shariat Collections: Black Portraits Matter
Die in der Kremser Kunsthalle durch den ausgewiesenen Kenner von „Afrikanität“, Ekow Eshu, kuratierte Ausstellung über die neue afrikanische Kunst überrascht durch die Vielfalt der malerischen Positionen eines ideellen Empowerments. Dabei beschränkt sich die durch 24 Künstler:innen bespielte Show auf das als antiquiert eingestufte Medium Malerei und ausschließlich die Gattung der Porträtkunst. In dem Zeitalter, in dem man sich sonst allerorts aufgrund menschlicher Aktivitäten und dem Einsatz naturschädlicher Technologien düstere und verquere Gedanken über das Ende des Anthropozäns und der Zeit danach macht, erstaunt natürlich auch das altbackene Ausstellungssujet. Als ob die Selbstermächtigung des afrikanischen Subjekts erst eine Sensibilität für die globale Klimakrise zuließe. Kaum eine lebensspendende Pflanze, Palme oder irgendwelche vierbeinige Wesen tauchen in der Kunsthalle am Horizont auf. Die zahlreichen Leinwände, zumeist Großformate, dominieren in ihrer Mannigfaltigkeit imposante, hochstilisierte und durchweg selbstbewusste Figuren von People of Colour, die hier in der Mehrheit farblich kontrastreich und sonst in ihren modischen attraktiven Outfits gerne in maskulinen Autoporträts auftreten. Auch etliche Malerinnen zeigen in Krems ihre Werke: Allerdings fehlen jedoch Stars wie zum Beispiel Lynette Yiadom-Boakye gänzlich in der Show.
Sind die in Paris geborenen und in Wien lebenden Künstler:innen noch authentische Afrikaner:innen oder vielmehr hybride Kosmopoliten:innen? Darf die afrikanische Kunst nur durch Afrikaner:innen gemacht werden und muss sie als solche sofort erkennbar sein? Es scheint als ob die neue Künstlergeneration in ihren Porträts ihrem bisherigen Identitätsprofil neue Ausrichtungen und Charakterzüge beifügen möchte, um andere Tonlagen als bisher anzuschlagen. In den präsentierten Gemälden, vor allem der Schaffenden aus Ghana, verschmelzen Öl- und Acrylfarbe mit Schriften und zahlreichen Materialien wie Metalldosen, Farbstoffen, Nägeln, Pelzstücken oder Fotos sowie den diversen Techniken wie Fingermalereien, Zerschneiden, Aufkleben oder Verbrennen zu einer chamäleon- und collagenartigen Einheit. Aus ähnlichem heterogenen „Müll“, der sonst afrikanische Artefakte auszeichnet, sind die fetischisierten Selbstbildnisse des durch den Sammler und Kunstmanager Amir Shariat vor kurzem auf der Wiener Kunstakademie „entdeckten“ Alexandre Diop (*1995) angefertigt. Um seine Verquickung mit dem westlichen Kultur-Idiom auch literarischer Prägung anzusprechen, bizarre Verstrickungen und archetypische Zusammenhänge aufzuzeigen, die Stimmung prähistorischer Höhlenmalerei und Inspirationen aus Archäologie und Stammeskunst in Erinnerung zu rufen, nennt der frankosenegalische Künstler eines seiner Selbstbildnisse, das wie ein Phantom des Schmerzes voller Exaltiertheit oder auch Protest wirkt, Autoportrait of the Young Black Diable at the Age of 25. Das Wort Noir schreibt er auch noch zusätzlich auf den rechten Bildhintergrund. Auffallend ist auch die Art der Bild-Signaturen. Platziert auf verschiedenen, oft unerwarteten Körperstellen der Dargestellten sind sie in solcher Form bei vielen Maler:innen der Ausstellung zu bemerken. Sie gleichen einem konsumistischen Branding alias Tätowierung. Fernab einer der westlichen Kunst oft eigentümlichen Ironie und Persiflage des Egos formt Diop in einem Prozess des Upcycling von Straßenabfällen die subjektive Vorstellung eines Africa reimagined. Es entspricht dem Lebensgefühl der afrikanischen Diaspora in den hippen Metropolen des heutigen Westens in ihrer immer noch andauernden Marginalisierung durch den Mainstream.
Die Beachtung westlicher Vorbilder ist auch den anderen afrikanischen Künstler:inne in der Ausstellung anzumerken. Die jungen Maler:innen verwenden die Ausdrucksformen und Stile eines Schiele, Kokoschka, Picasso, Kirchner oder Matisse ihre eigene kulturelle Identität stärkend - weil diese modernen Künstler wiederum selbst einst von afrikanischen Kunstformen beeindruckt waren und die eigene Kunstsprache mit ihr „belebten“. Außerdem lassen sich durch das Vermischen der Outfits und Kulturen ihre gesellschaftlichen Anliegen und andere brennende Fragestellungen besser universell kommunizieren. Demzufolge wirken die Gemälde von Cornelius Annor (*1990), die den Alltag seiner ghanaischen Familie in diversen Szenen ihres Soziallebens wiedergeben erstaunlich biedermeierlich und nostalgisch. Die Innenräume, die sich samt ihrer Möblierung aber kaum von denen unterscheiden, die auch das Publikum hier kennt, sehen trotzdem fremdartig aus: subversiv fallen hier die übermäßig gemusterten Kleider der Schwarzen Protagonist:innen (die fast wie Außerirdische aussehen) und extensive Raumverzierungen auf, die das gesamte Ambiente ungewöhnlich erscheinen lassen, den Eindruck gleichsam vermittelnd, dass sie eigentlich nicht zu diesen eintönig möblierten Standards zugehörig sind. Die bunten Patchworks als visuelle „Codes“ afrikanischer Vitalität in leuchtenden textilen Mustern geben ferner Hinweise auf die “exotische“ koloniale Vergangenheit des afrikanischen Landes und werfen ferner Fragen nach der Erfüllung des postkolonialen Versprechens auf. Bei dem Bildnis eines Mannes im Bild Great Man ist die postkoloniale Realität vermutlich zu seinem sehnsüchtigen Traum geworden. Die menschliche Figur und ihre Wahrnehmung stehen auch im Mittelpunkt der Gemälde der anderen Maler:innen, wenn auch auf andere Art und Weise. Boluwatife Oyediran aus Nigeria schafft in Anlehnung an die kunstgeschichtlichen Kanons „alternative Versionen der Geschichte“. Im Kontext des Baumwollanbaus unterläuft er die Regel von Machthierarchien und Normen der Repräsentation. So wie in seinen anderen, mit starken hell-dunklen Kontrasten, feinsinnig gemalten Bildern ersetzt der Maler in Lady with a Boll das Gesicht der bekannten Heldin durch sein schwarzes Abbild und lässt mit diesem einfachen Trick innere Dämonen heraufbeschwören.
Auch der international gefeierte Amoako Boafo, Gründer einer Künstlerresidenz (die dot.ateliers), Stiftung und eines Ausstellungsraums in seiner Heimatstadt Accra (Ghana), will immer wieder die Ikonen der Kunstgeschichte auf den Kopf stellen. Das nervige Gesicht in seinen Bildern, mit Fingern performativ modelliert, wird zusätzlich auch durch Gesten in seiner Botschaft verstärkt, wie der ikonische Charakter seines titellosen Selbstbildnisses aus dem Jahr 2019 verdeutlicht. Das Bild zeigt ihn in einer Denkerpose und einem Jogginganzug. Reflektiert wird hier nichts anderes als der abschätzige Blick, den sich diesmal à rebours der schwarze Künstler auf sein Publikum erlaubt. Mit der Bewältigung der kolonialen Vergangenheit, der Problematik der Race und Erwartungen an geschlechterbezogenes Verhalten in Ghana beschäftigt sich auch eine der wenigen Künstlerinnen der Show, etwa die junge Autodidaktin Crystal Yayra Anthony (*1997), die in der Künstlerresidenz von Boafo arbeitet. In ihrem faszinierendem Bild What are you looking at? steht ein fleischiger weiblicher Akt im Zentrum der Komposition, hier in einem abgeschiedenen Garten mit sanftem Grasboden. Unerwartet wendet die Frau dem Besucher ihren Blick zu, wie auf frischer Tat ertappt. Und diese wäre das Waschen der Wäsche mit dem Waschpulver OMO; auf der symbolischen Ebene ist sie mithin mit Reinigungsritualen beschäftigt. Nebenan aus dem Wasserhahn fließt nichtsdestotrotz eine rote Flüssigkeit. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob man die leidensvolle lange Kolonialgeschichte einfach abwaschen dürfte und wenn ja, dann bei welcher Temperatur?
19.11.2022 - 10.04.2023
Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
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