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Lou Jaworski - Heating Up Cooling Down: Heiliger Stein

Es ist alles sehr elegant in dieser Ausstellung, man sieht den Arbeiten Lou Jaworskis an, dass sie aus kostbarem Material und gut gearbeitet sind, mit Liebe zum Detail, dabei sich die Grandeur industrieller Fertigung bewahrend. Der marmorne Stein, aus dem die Bodenskulpturen genauso wie die Wandarbeiten geschnitten und geschliffen sind, vereint die Authentizität und Unvermitteltheit des Rohstoffs – Diesseitiges – mit der geistig-erhabenen Identität des Marmors als Liebling der Kunstgeschichte, unvergängliches Fleisch der Könige und Götter – Jenseitigem. Deutlich ist die Einzigartigkeit der Objekte in ihrer je eigenen Marmorierung hervorgekehrt, steinerne Fingerabdrücke als Zeichen ihres Werts. Eine Beschreibung der Stücke ließe sich problemlos in ein Werbeprospekt für Luxusobjekte übernehmen. Nicht selbstverständlich, angesichts des Eklektizismus, dessen sich die Werke bedienen.

Denn die Wandarbeiten sind von feinmaschigen Netzen aus weißem Kunststoff und einer schraffierten Schicht als Druck aufgetragenen schwarzen Pigments überlagert, was sie zwar nicht vollständig verdeckt, die Bilder aber ein Stück weit entrückt. In einem ambivalenten Akt werden sie so der Fassbarkeit entzogen und die transzendente Sphäre des kostbaren Steins bestätigt. Gleichzeitig aber wird der erhabenen Ikonologie des Marmors und dem Glanz der Individualität ein Moment der Masse und billigen Verfügbarkeit, eine Ästhetik der Arbeit und Zeit entgegenstellt. Ihres alten Mythos beraubt, sehen sich die Objekte mit einem neuen überschrieben – dem der Technologie und des Klons. Was früher Bodenschätze waren, ist heute Rechenkraft, mining verspricht immer noch Profit. Der Fingerabdruck der in Stein geronnenen Zeit wird zur Seriennummer, übrigens auch diese ist in einem erkennbar aufwändigen Prozess entstanden, mit einer schimmernden Materialität wie schwarzem Öl.

So wirkt die Überlagerung wie eine Zeitenwende, Zeugnisse einer Ablösung der alten Götter durch die neuen, die nunmehr aus Einsen und Nullen bestehen und deren Abbilder Barcodes sind. Die neue Sakralität trägt die Zeichen der Reproduzierbarkeit. Wie die alte muss auch diese sich gut verkaufen können – Götter brauchen breite Unterstützung oder werden abgeschafft. Der „gute Geschmack“ eines Marktes wird hier stilsicher, clever, facettenreich bedient. Genauso die Spielregeln von Götzenkult und Mythos.

Zeitlose Natur und moderne Technik, das Besondere und die Massen prallen hier so reibungslos aufeinander, dass sich trotz der Ungleichheit der Teile ein Gefühl von Konformität einstellt. Die alten Süchte nach Schönheit und Beständigkeit, Sicherheit trotz Wagemut und nüchterner Spiritualität – unvereinbar in der Theorie, oft auf zwei und mehr Gött*innen verteilt – hier sind sie in Harmonie vereint. Das erfordert Finesse. Die Schärfe, Sauberkeit und Trittsicherheit mit der der Stein filetiert ist, seine Härte und Aalesglätte strahlen Kälte aus. Ganz analog zur modernen Religion der Technologie und also ein gelungener Götze. Aber ein Götze bleibt es doch.

Mehr Texte von Victor Cos Ortega

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Lou Jaworski - Heating Up Cooling Down
28.10.2022 - 14.01.2023

Max Goelitz
80539 München, Maximilianstraße 35
Tel: +49 89 89063944
Email: gallery@maxgoelitz.com
https://www.maxgoelitz.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-19h, Sa 11-16h
sowie nach persönlicher Vereinbarung


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