Candida Höfer. Liechtenstein: Neu statt retrospektiv
Museumsdirektor: innen haben oft den Ruf bürokratische Verwalter: innen einer museal verklärteren Vergangenheiten zu sein. Nicht so Letizia Ragaglia: Im Gespräch mit artmagazine.cc überschlägt sich die gebürtige Südtirolerin mit begeisterten Betrachtungen zu Candida Höfer im speziellen („wunderbare Künstlerin, taffe Frau“) und ihren Arbeitsplatz im Fürstentum Liechtenstein. Und tatsächlich: Mit der Ausstellung „Candida Höfer. Liechtenstein“ ist hier im kleinsten Land Mitteleuropas etwas gelungen, dass man sonst nicht zu Gesicht bekommen würde. Candida Höfer hatte sich entschieden keine X-te Retrospektive ihres umfangreichen Werkes zu zeigen, sondern vor Ort, in situ, eine Foto-Serie zu Liechtenstein zu machen. Die Documenta-11-Teilnehmerin und Biennalekünstlerin mit Atelier in Düsseldorf und Wohnort Köln hat ihren künstlerischen Blick zum Beispiel auf die Fassade des Kunstmuseum Liechtenstein geheftet und den charakteristischen Ruß- und Eisenoxid gefärbten Beton mit reinem Fluss-Kies abgelichtet und diese abstrakte Fläche in Beziehung zu Rosemarie Trockel gestellt, die in ihrer Hommage an Malewitsch ein schwarzes Quadrat feiert.
Warum funktioniert diese Ausstellung, die erstmals die Räume des Kunstmuseum Liechtenstein und der Hilti-Art-Foundation, also sieben große Säle, umfasst, so gut? Eine Antwort liegt sicher darin, dass den vielen hochkarätigen Werken aus der Sammlung - von Donald Judd bis Keith Sonnier, von Lucio Fontana bis Günter Fruhtrunk - mit den dezenten Fotografien von Candida Höfer nicht die Schau gestohlen wird. Kunstkistendepots, Lastenaufzüge, Bücherregale, der Museumseingang und Mauerwerk verweisen auf das Innenleben des Kunstbetriebs und können die Qualität der Sammlung des Museums hervorkehren. Die Familie Hilti hat mit der legendären Hilti-Bohrmaschine und zehntausenden Mitarbeiter: innen weltweit viel verdient und das Geld teilweise, sehr üblich für Liechtenstein, in Stiftungen wie die Hilti Art-Foundation eingebracht. Es ist mehr als ein Auftragswerk, wenn Candida Höfer das charakteristische Hilti-Rot zur bestimmenden Farbe eines ihrer zwanzig in Liechtenstein geschaffenen Werke werden lässt, die in einer Auflage von je fünf Stück produziert werden und beim Shooting bis zu zwei Stunden konzentrierte Arbeit bedeuten. Candida Höfer arbeitet übrigens auch in ihrem hohen Alter noch von 7 Uhr früh bis 19 Uhr am Abend. Und sie spielt so gerne dabei, wie sie Letizia Ragaglia anvertraute. Die Sammlung des Kunstmuseums verfügt über ein Ankaufsbudget von einer halben Million Franken und versucht das alte Klassische zu ehren, wie die bestehenden Schwerpunkte in den Bereichen Skulptur, Arte Povera und Osteuropa, aber auch neue Sammlungsschwerpunkte wie Frauenkunst oder Weltkunst abseits eines Eurozentrismus wie etwa Südamerika in einer alternativen Auffassung der Kunstgeschichte(n) zusammenzutragen. Letizia Ragaglia benutzt hier den Begriff der „Multimoderne“.
30.09.2022 - 10.04.2023
Kunstmuseum Liechtenstein
9490 Vaduz, Städtle 32
Tel: +42 3-235 03 00, Fax: +42 3-235 03 29
Email: mail@kunstmuseum.li
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Öffnungszeiten: Di-So 10-17, Do 10-20 h