Das Schönste und das Häßlichste
Jetzt kommt, so verspricht man es uns schon seit dem Frühjahr, die heißeste aller Jahreszeiten. Sollten Sie also während der Hundstage wegfahren wollen, sollten Sie das Bundesland Kärnten dabei als Destination anvisieren und namentlich den Ossiacher See ansteuern, so ergeht an Sie hiermit eine Warnung. Dazu müssen wir allerdings etwas ausholen. Jede Weltstadt hat nicht nur etwas Schönstes: Dieses Schönste ist, wir wissen es von Andy Warhols bestem und einzigem Gedicht, jeweils McDonald's. Jede Weltstadt hat auch etwas Häßlichstes. Sei es das Denkmal Viktor Emanuels in Rom, sei es Sacre-Coeur in Paris oder sei es die Christbaumkugel, die Hundertwasser der Müllverbrennungsanlage Spittelau in Wien verpaßte: Stets schiebt sich einem genau dieser Schandfleck vors Visier, wenn man seine Tour d'horizon vollführt. Da verwundert es nicht weiter, wenn einem derlei auch in Steindorf bei Ossiach bei Villach passieren kann. Nun ist es dank fotografischer Technik möglich, Schandflecke zumindest optisch ungeschehen zu machen. Das berühmteste Beispiel dafür ist wohl jene Ikone der Oktoberrevolution, die Lenin auf der Rednerbühne und hinter ihm eine Lücke zeigt, einen leeren Fleck, den einst Trotzki gefüllt hatte, als er noch nicht in Ungnade gefallen war. Was Väterchen Stalin einst glückte, das kann heutzutage jeder Referent für Tourismus genauso. Der Prospekt zeigt stets das Hotel und dann gleich das Meer, stets den Campingplatz und dann sofort den See. Sonst ist da nie etwas. Auch nicht in Steindorf bei Ossiach. Sollten Sie also anhand des Prospekts einen Aufenthalt an besagtem Campingplatz planen, so seien Sie gewarnt. Es ist da nämlich doch etwas, was das Informations- und PR-Blatt nicht zeigt. Es ist da das Steinhaus, jene Ikone avancierter Architektur aus Österreich, an dem Günther Domenig seit fast zwei Jahrzehnten baut. Nun steht Domenigs Lebens-Werk nicht einmal zwischen Ihrem Wohnwagen und dem Badestrand, sondern nur daneben. Aber offenbar ist es Schandfleck genug, und so hat man für den Prospekt auf das Grundstück einfach eine Wiese gepflanzt. Das Häßlichste gehört nun einmal nicht dahin, wo Touristen hingehören. Hoffentlich bauen sie wenigstens bald einen McDonald's an den Ossiacher See.
