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art Karlsruhe: Wie immer & doch anders

Stephan Balkenhol besucht keine Kunstmessen, in Karlsruhe schon gar nicht. Es wäre ihm dazu auch nicht zu raten, denn in den letzten Jahren tummelten sich die Artefakte von Balkenhol-Adepten, dass man bisweilen ins Schaudern geraten konnte. Daran hat sich auch bei der 19. Ausgabe der art Karlsruhe nichts geändert. Doch sendet der feinsinnige Künstler der signaturhaften Jedermänner mit weißem Hemd und schwarzer Hose zumindest an vereinzelte Messebesucher einen „ultimativen Messetipp“: Helga Marten, Galerie Claeys, Freiburg. In der Tat, die Künstlerin, Jahrgang 1932, heute 90-jährig ungebrochen tätig, ist eine genauere Betrachtung wert. Diese Frau hat die Moderne verinnerlicht, hat mit ungehöriger Konsequenz malend einen eigenen Weg verfolgt und sich in den mehr ein halbes Jahrhundert währenden Tätigkeit bei jeder Leinwand aufs neue, spannende Lösungen für ihre Stillleben, Fensterausblicke, Landschafen und deren Mischformen zu finden.

Ebenfalls bei Ulrike Claeys, deren Galerieschwerpunkt auf Positionen von Frauen liegt, fällt eine Wand mit Kleinformaten von Julia Elsässer-Eckert auf. Etüden nennt die Künstlerin diese gemalten Selbstvergewisserungen an den Ort, den Blick, das eigene Vermögen beides am Bildträger fest zu halten. Stets dieselbe Landschaft oder auch das eigene Gesicht, beides unterliegt Veränderungen, Stimmungen, immer wiedererkennbar und dann doch etwas anders.

Womöglich trifft dies, nach zweijähriger Pause auf die Messe generell zu. Es herrscht das vertraute Durcheinander, dafür hat man die Schwerpunkte der einzelnen Hallen geändert, was beim Eröffnungspublikum nicht überall gut angekommen ist, weil es für eine gewisse Orientierungslosigkeit der Stammgäste sorgte. Die Stimmung ist ansonsten heiter, was auf der Seite der Galerien daran liegen mag, dass Fördergelder des Bundes an die Messe direkt an die Galerien als reduzierte Standmiete weiter gegeben wurden. Für die Galerie Friese (Berlin) hat das dem Vernehmen nach auch die Entscheidung, mit Ambra Durante eine sehr jungen Künstlerin ein One-Artist Koje zu widmen, begünstigt. Ihre kleinteilig ausgebreiteten Bildschichten auf allerlei, teils wieder verwendeten, Papieren sind eine gelungene Messepremiere der im Jahr 2000 geborenen Künstlerin. Was man von der Wahl der Galerie für einen der Skulpturenplätze weniger behaupten kann. „steh auf europa“, mag Aufforderung wie Bekenntnis sein, doch ahnt man, dass Ottmar Hörls güldene Stehaufweibchen“ in Zukunft lieber einige Orte zu viel „amutig, weiblich, selbstbewusst“ (lt.Bestellfolder) mit ihrer instabilen Präsenz verschönern werden.

Auf gelebte Nachbarschaftshilfe trifft man bei der Galerie Leonhard (Graz). Als der Galerist kurzfristig seine persönliche Präsenz absagen musste, haben die Nachbarn im Galeriehaus Zimmermann & Kratochwill ihre Sachen gepackt und zeigen nun einen abgestimmten Mix aus beider Programme. Gleichsam als Maskottchen der Spontanreise begrüßt einem ein Wiesel, gemalt in gewohnter Feinmanier von Alfredo Barsuglia auf Kniehöhe, wiederum um die Ecke zielt eine großformatige leuchtend rote Leinwand in gewohnter Grobmanier von Hermann Nitsch auf Fernwirkung.

Nicht alle setzten auf die Option mit den Außenwänden der Kojen um die Aufmerksamkeit der geneigten Besucher zu buhlen. Den Höhepunkt an zurückhaltender Noblesse bildet hier einmal mehr Meyer Riegger (Karlsruhe). Die Aussenwände schimmern hell silbrig, innen setzten man auf zwei Positionen, die bestens miteinander harmonieren, was nicht nur daran liegen mag, dass beide aus dem Ruhrgebiet stammen. Von Meuser, einem Urgestein der Galerie, zeigt man eine Auswahl nahezu klassischer Stahlarbeiten, geknautscht, verbogene, veränderte Fundstücke, diesmal von reduzierter Farbgebung. Demgegenüber stehen die schwungvoll dichten Zeichnungen (Kohle, was sonst?) auf Leinwand von Peppi Bottrop, der im letzten Jahr in der Berliner Niederlassung sein Galerie-Debut feierte.

Einen Debutauftritt außer Konkurrenz feiert Meister F.L.bei Ludorff. Zwischen einer Reihe von Josef Albers-Quadraten und Emil Nolde Blumenaquarellen, gleichsam zwischen den Sujets und den Farbigkeit vermittelnd sorgt ein gestreifter Kaktus für gerührt-amüsierte Blicke. Das offensichtlich junge Talent, so wird verraten, stammt aus der dritten Generation der Galerie, der Preis ist mit 5 Euro beziffert und mag als Beispiel dafür dienen, dass man nach zwei Jahren Pandemie bei aller gebotenen Seriosität des Metiers, nicht alles so ernst nehmen muss.

In der diesjährigen Sonderausstellung der Sammlung Klöcker ist Balkenhol dann doch einmal mit einem Original vertreten. Die dargebotene Trias ist von schlagender Evidenz. Zwischen einer Salomé von Werner Tübke und einem Akt mit roten Strümpfen von Arno Rink, steht sie einfach so da, die Skulptur, wie man sie kennt. Grob geschnitzt, zurückhaltend bemalt, entspannt lapidar in der Haltung und Mimik, bekleidet mit (rotem) Hemd und (weißer) Hose, doch unverkennbar handelt es sich diesmal der Ausrichtung der Privatsammlung entsprechend, um eine Frau.

Mehr Texte von Daniela Gregori

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art Karlsruhe
07 - 10.07.2022

Messe Karlsruhe
76287 Rheinstetten/Karlsruhe, Messeallee 1
http://www.art-karlsruhe.de
Öffnungszeiten: 11-19 Uhr, Freitag 11-20 Uhr


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