
Clegg & Guttmann - Sha´at´nez oder der Verschiebungs-Annex: Realitätsverschiebung
"Ihr sollt auf meine Satzungen achten: Unter deinem Vieh sollst du nicht zwei Tiere verschiedener Art sich begatten lassen. Dein Feld sollst du nicht mit zweierlei Arten besäen, Du sollst kein aus zweierlei Fäden gewebtes Kleid anlegen." Die im Buch Levitikus verbotene Mischung nicht zusammengehöriger Elemente heißt Sha?at?nez, und so lautet auch der Titel des Projektes von Clegg & Guttmann im Sigmund Freud-Museum. Sowas ähnliches haben die beiden nämlich hier gemacht: in ihrer vielschichtigen Installation führten sie Bücher wieder zusammen, die ursprünglich in Freuds Privatbesitz waren und heute auf vier verschiedene öffentliche Bibliotheken aufgeteilt sind. Nachgebaute Bücherregale aus ebendiesen wurden über- und nebeneinander gestapelt, allerdings steht etwa ein Regal schief über dem anderen. Schrauben verhindern, dass irgendwo ein rechter Winkel entstehen könnte. Diese Art der von einem metallenen Ring zusammengehaltenen Assemblage erscheint verschoben, verdreht, brüchig und schwankend. Die ausgeliehenen Bücher stehen in Zusammenhang mit dem Topos der "Verschiebung", der in der Traumdeutung eine wesentliche Rolle spielt. Neben der Leihe der Bücher baten die beiden Künstler die Bibliotheken außerdem, ihnen eine Liste der daneben stehenden Bände zu schicken sowie Fotos von den Bücherregalen. Von den unmittelbaren "Nachbarn" wurden Kopien oder andere Ausgaben ins Regal gestellt, die Umrisslinie der weiter entfernten Bücher mit Attrappen aus rosa Styropor nachgebildet. So entstehen weitere Verschiebungen und Umschichtungen. Die Verstreuung der Bücher ist ein Spiegel der Biografie Freuds, die neu entstandene Re-Komposition in Clegg & Guttmanns Arbeit eine in sich verschobene. Das betrifft auch den Realitätsgehalt der physischen Präsenz einzelner Bände, der je nach Distanz vom Original aus Freuds Bibliothek sinkt, bis er in den Styropordummies nur noch das Volumen abbildet. Durch ein großes Schaufenster einsehbar, kann der Raum auch betreten werden. In der Bibliothek des Museums steht ein kleiner Zettelkatalog, bestehend aus vier Schubladen, in denen nur die Karteikarten der hierher verschobenen Bücher stecken, die einmal in der Woche angesehen werden können. Über die komplexen künstlerische Referenzstruktur zwischen Psychoanalyse, Geschichte, Originalität und Diaspora hinaus kann die Installation auch als das betrachtet werden, was sie ist: schlicht und einfach eine Bibliothek.

19.03 - 19.09.2004
Sigmund Freud Museum
1090 Wien, Berggasse 19
Tel: +43 1 319 15 96
Email: office@freud-museum.at
http://www.freud-museum.at
Öffnungszeiten: täglich 10.00-18.00 h