Manfred M. Lang,
Warnung vor den Zielgruppeneinschätzern
Ich unterstelle nun einmal, dass Produzenten und/oder Selbstvermarkter stets versuchen, ihre Zielgruppe möglichst genau einzuschätzen. Eher wahrscheinlich ein bissl höher.
Und aus Selbsteinschätzungsgründen auf keinen Fall unter.
Wenn letzte Woche z.B. eine Bundespräsidentenamtbewerberin auf zielgruppenorientiert tut, klingt das so:
?Wir hatten, als ich klein war, zuerst einmal einen Schäferhund, den ich besonders gern hatte, der aber dann leider wegkam. ? Dann hatten wir jedenfalls noch einen Dackel, den ich besonders gern gehabt habe?. (Nicht lachen, das ist einer der intelligenteren Selbstdarstellungssätze auf der offiziellen Wahlhomepage).
Glauben die sich Anpreisende und ihre Schreibhelfer wirklich, dass die Wähler tier- und kinderliebende Debilitätsanwärter sind?
Oder nehmen wir einen aktuellen Inserattext von einem Fastfoodanbieter.
?Das neue Maxi Menü ist da, und das bedeutet noch mehr Kombinationsmöglichkeiten. Denn Sie entscheiden selbst, ob Sie z.B. statt Pommes Frites einen Gartensalat als Beilage wollen?.
Glauben die Werbefritzen des Fraßkonzerns wirklich, dass die Auswahl zwischen diesen beiden ungeheuer intelligenzaufwändigen Möglichkeiten beworben werden müssen, damit ihr deppertes Fresspublikum nicht wegen Überforderung verhungert?
Abschließend nur noch ein Haneke-Sager in einem Interview:
?Im klassischen Katastrophenfilm steht ja die Katastrophe im Zentrum des Interesses.
In Wolfszeit geht es aber um die Frage: Wie gehe ich mit der Katastrophe um??
Glaubt Haneke wirklich, dass sein ganz spezifisches Publikum diesen Unterschied nicht erkannt hätte?
Ich glaube, wir sollten einfach vorsichtiger sein mit der Zielgruppeneinschätzung.
Sonst werden wir alle früher oder später so blöd, wie wir uns gegenseitig vor- und darstellen.
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