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Göttinnen: Denkfiguren jenseits patriarchaler Logiken

Welche Wege führen zur besseren Welt? Das Innsbrucker Taxispalais rüttelt mit „Göttinnen“ am Baum der Erkenntnis. Herunter fällt viel Unterschiedliches, eine überzeugende Ausstellung aber nicht.

Krieg, Klimakrise, soziale Ungerechtigkeit, Rassismus, Ausbeutung, patriarchale Gewalt: Es gibt auch noch etliche andere Argumente, um unser Zusammenleben neu zu denken, im Innsbrucker Taxispalais soll vor diesem Hintergrund auch gleich die Ausstellungspraxis anders gedacht werden. Die „Logik von Ganzheit, Teil, Anfang und Ende aufbrechen“, die Schau vor den Augen des Publikums „prozessual“ entstehen lassen, lauten die dazu im Pressetext formulierten Ideen, die freilich nicht ganz neu und in der Praxis außerdem eher selten überzeugend sind. Leider auch in diesem Fall nicht. Die Kunsthalle blieb über lange Zeit hinweg halbleer, kaum waren dann nach etlichen Wochen und Corona-bedingten Verzögerungen doch noch alle unter dem Titel „Göttinnen“ versammelten Arbeiten aufgebaut, waren die ersten auch schon wieder abgehängt. Wobei sich der Verlust angesichts der sehr esoterisch anmutenden, abstrakten Malereien von Elisabeth von Samsonow in Grenzen hielt. Der zur Ausstellung erschienene „Speaking Earth Catalog“ der Künstlerin und Philosophin taugt schon eher als Wegweiser zu jener Art von Ökosophie, die zu erreichen auch in dem von ihr gemeinsam mit Künstlerkolleginnen betriebenen „Land of the Goddesses“ im niederösterreichischen Pulkautal das Ziel ist. Es geht darum, Geist, Gesellschaft und Umwelt miteinander zu verschränken.

Aus diesem feministisch-philosophischen Ansatz speist sich unverkennbar auch die von Taxispalais-Direktorin Nina Tabassomi kuratierte „Göttinnen“-Schau, sie ist der zweite Teil einer Trilogie, die 2021 mit „Hexen“ begonnen hat und überkommene Systeme und Paradigmen hinterfragen will. Wobei die „Göttinnen“ als sehr weit gefasste Denkfigur daherkommen und so landet man alsbald auch im weiten Feld der politischen und aktivistischen Kunst, die angesichts der misslichen Weltlage in den Institutionen ohnehin gerade Hochkonjunktur hat. Das indigene Karrabing Film Collective spiegelt in seinen Arbeiten die bis heute nachwirkenden Strukturen kolonialer Unterdrückung, versteht sie aber auch ästhetische Form des Widerstands. In „The Mermaids: Mirror Worlds“ wird die indigene Bevölkerung als Ressource für medizinische Versuche missbraucht, um das Überleben der „weißen Rasse“ zu sichern. In dieser dystopischen Szenerie tauchen mythische Meerjungrauen ebenso auf Imagefilme internationaler Großkonzerne, die zwar alptraumhaft verfremdet sind, aber eigentlich gruselige Realitäten zeigen.

Aus den losen Enden unterschiedlicher Denk- und Stoßrichtungen mag sich irgendwie kein Ganzes ergeben, aber diese Logik wurde wie erwähnt ja ohnehin vorsorglich über Bord geworfen. Immerhin funktioniert manches wie eine Ausstellung für sich, großartig etwa der Raum, in dem man in die 5-Kanal-Videoinstallation „Between the Waves“ der Inderin Tejal Shah eintaucht. Es sind einzeln aufflackernde Buchstaben, animierte Zeichnungen und performative Grenzgänge auf Müllhalden und an den Ufern verschmutzter Meere, die Träume und Alpträume evozieren, während Hybridwesen mit Einhörnern die engen Pfade des Gender-Denkens längst verlassen haben.

Im Heiligen Land Tirol dagegen reicht schon die weibliche Seite Gottes aus, um die Volkseele zum Kochen zu bringen. Diese Erfahrung hat die Künstlerin Ursula Beiler gemacht, als sie vor Jahren ein Schild mit der Aufschrift „Grüß Göttin“ an der Inntal-Autobahn aufstellte und einen Proteststurm erntete, der tief in die Schluchten der Tiroler Engstirnigkeit blicken ließen. Als in die „Göttinnen“-Schau eingeladene Performerin war Beiler nun dem Weiblichen in Flur- und Flussnamen sowie der bärtigen Heiligen Kümmernis auf der Spur. Was allerdings eher kurios als künstlerisch bereichernd wirkte, und zwar nicht nur ob der seltsamen Almabtriebs-Kostümierung.

Mehr Texte von Ivona Jelčić

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Göttinnen
04.02 - 29.05.2022

Taxispalais Kunsthalle Tirol
6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Str. 45
Tel: +43 512 594 89 401
Email: info@taxispalais.at
http://www.taxispalais.art
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr


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