Werbung
,

Heiri Häfliger I Christian Wulffen: Verspielte Eleganz versus neokonzeptuelle Ästhetik

Die Arbeiten von Heiri Häfliger und Christian Wulffen könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch ergänzen sie sich wie Tag und Nacht, Fläche und Gestalt, Linie und Raum. Die aktuell bei der Galerie Sturm & Schober zu sehenden Arbeiten des deutschen Künstlers Christian Wulffen, der eine Professur am Cleveland Institute of Art innehat, sowie des in Wien lebenden Schweizers Heiri Häfliger entzücken durch ihre verspielte Eleganz und formale Bildsprache.

Die neokonzeptuell und konstruktiv anmutenden Werke Christian Wulffens fallen durch ihre strenge Formalität auf, aus dessen Raster sich stets ein Element herauszulösen versucht. Ein Element, das einen Zustand innerhalb eines Systems wiederzugeben vermag und somit in Analogie zur Wirklichkeit steht. In Christian Wulffens Werken geht es um die Verarbeitung von Information, ihre individuelle Interpretation sowie die künstlerische Umsetzung der Wirklichkeitserfahrung. Bei vielen Arbeiten entschwindet die Information nahezu gänzlich, sodass sie sich rein abstrakt präsentiert. Dies ist beispielsweise bei der Werkgruppe „both sides, 2021“ der Fall, die unterschiedliche Zustände innerhalb eines Rasters wiedergibt, wobei Wulffen uns betreffend des Informationsgehalts völlig im Leeren stehen lässt. Nahezu als „Denkbilder“ könnte die Werkserie „Text/image, 2019“ betrachtet werden, in denen das Gedachte bildlich und ideell realisiert wird. In der Werkgruppe „alphabet, 2020“ spielt Wulffen wiederum mit der Bildsprache unterschiedlicher Buchstaben und ihrer Darstellung als Linien im zweidimensionalen Raum.

Charakteristisch für die Namensgebung seiner Werke ist das im System dargestellte Moment bzw. der Zustand, den der Künstler im Werktitel als Gleichung darstellt. Sechs rechteckige, in einer Plexiglasschachtel locker angeordnete Leinwände tragen den Namen „2/100-6 online, 2021“. Sie stehen der Arbeit „1/100-6 online, 2021“ gegenüber, wo eine der weißen Leinwände außerhalb der Plexiglasschachtel an der Wand angeordnet ist.

Heiri Häfligers Arbeiten unterscheiden sich nicht nur in ihrer Materialität, sondern auch in der Arbeitsweise von jenen Wulffens. Seit der Studienzeit verschrieb sich Häfliger ein und demselben Material, nämlich Papiermaché. Das ist nahezu ironisch, nachdem der Künstler vierzehn Jahre als Assistent im Atelier von Franz West tätig war. Und doch schuf er einen unverkennbaren Stil, der sich durch verspielte Eleganz und Leichtigkeit auszeichnet. Während Häfliger in seinen großformatigen Skulpturen, die 2016/2017 in der Ausstellung „Franz West Artistclub“ im 21er Haus zu sehen waren, noch die Grenzen zwischen Malerei und Skulptur sowie Haptik und Räumlichkeit des Materials auslotete, wirken die kleineren, bei der Galerie Sturm & Schober ausgestellten Arbeiten von 2021 charmant, ironisch und selbstbewusst (z.B.„Red Bull Colli“ oder „Inzidenz“). Sie kontern nicht nur der strengen Formalität des Christian Wulffen, sondern lockern diese gekonnt auf. Und auch in der Arbeitsweise differenziert sich Häfliger deutlich von seinem deutschen Kollegen. Er arbeitet ausschließlich mit Wasser und Toilettenpapier, und so sind auch die nicht vorhersehbaren Ergebnisse seiner Skulpturen diesem einfachen Material verschuldet. Und genau dieses herausfordernde Spiel mit der Materialität, diese nahezu performative Arbeitsweise dürfte für ihn den Reiz ausmachen, der sich uns in einer unverkennbaren Poesie und Eleganz widerspiegelt.

Drei Werke aus der Serie „coram publico, 2020“ bzw. „Wiener Sekundenbilder“ finden sich im Eingangsbereich und zweiten Raum der Galerie wieder, die als Persiflage auf den Lockdown und das Hamstern des Toilettenpapiers gewertet werden könnten. Teils farbige Toilettenpapierstücke verwandeln sich in Häfligers Objektbildern in abstrakte Flächengebilde. Ein entzückendes Video auf der Website des Künstlers, gefilmt von seiner Tochter, gibt Einblick in den Entstehungsprozess eines solchen Objektbilds, das der Künstler mit jener Menge an Toilettenpapier herstellte, die dem Verbrauch der Bewohner Wiens pro Sekunde entspricht. In den „Wiener Sekundenbildern“ beweist Häfliger ein weiteres Mal, wie poesievoll und gekonnt er dieses einfache Material auch ins Zweidimensionale zu transformieren vermag. Es ist der Kontrast zur Strenge der Arbeiten Christian Wulffens, der die Ausstellung so reizvoll macht!

Mehr Texte von Désirée Hailzl

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Heiri Häfliger I Christian Wulffen
17.11.2021 - 03.03.2022

Galerie Sturm & Schober
1010 Wien, Kohlmarkt 9/2/5
Tel: +43 676 555 1 777
Email: galerie@sturmschober.com
https://www.sturmschober.com/
Öffnungszeiten: Di-Fr 13-18 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: