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Artissima 2021: Ricchi in tutto - reich an allem

Drei plus Zwei macht Fünf. Oder Sechs. Sechs wäre besser, wenigstens für die Artissima in Turin. So lange laufen die Verträge der jeweiligen Direktoren. Da die physische Ausgabe der Messe im letzten Jahr ausfiel, wird jetzt diskutiert, das Mandat von Ilaria Bonacossa um ein Jahr zu verlängern. Dass darüber noch keine Entscheidung getroffen wurde, könnte der Veranstaltung mehr schaden als die ohnehin schon inhaltlich sinnlose Begrenzung. Verlässlichkeit und Berechenbarkeit sind ein hohes Gut in der Kunstbranche, die auf persönlichen Netzwerken aufbaut. Doch der große Vorteil der Artissima ist auch ihre größte Schwäche: Sie gehört der Öffentlichen Hand (Stadt und Region) und muss sich daher im Gegensatz zu Konzernmessen nicht ausschließlich am eigenen Geschäftsergebnis messen lassen. Die Kehrseite der Medaille ist die Abhängigkeit von Politik und Technokraten, deren Entscheidungsprozesse anderen Regeln folgen.

Bonacossas Verdienst ist die Umsetzung einer durchdachten Online-Strategie, mit der die Messe ihre physische Präsenz nicht nur in die virtuelle Welt ausdehnt, sondern dort mehr Inhalte anbietet als nur bunte Bilder und 3D-Modelle. Unter dem zungenbrecherischen Titel ArtXYZima sind dort die drei bewährten kuratierten Sektionen „Back to the Future“ für weniger bekannte künstlerische Positionen seit den 60er Jahren, „Present Future“ mit aktuellen Positionen unter wechselnden Gesichtspunkten und „Disegni“ für Zeichnungen im weitesten Sinne zusammengefasst. In diesem Jahr auf jeweils zehn Positionen reduziert, bieten sie der Messe die Möglichkeit, auch solche Galerien mit ins Boot zu holen, die vielleicht sonst nicht mit einem eigenen Stand teilnehmen würden, wie etwa Mendes Wood DM aus Brüssel/New York/Sao Paolo oder Thomas Rehbein aus Köln. Neu ist auch der „Hub“, der jedes Jahr eine Region aus dem asiatischen Raum kompakt vorstellen soll, statt wie bisher in einzelnen Ständen über die Messe verteilt. Mit dem diesjährigen Gast Indien funktioniert sehr gut, da jeweils ein Kurator in Italien und Indien Leihgaben und verkäufliche Werke aus Institutionen und Galerien zusammengetragen hat, so dass tatsächlich so etwas wie ein konzentrierter Überblick aktueller Tendenzen entsteht.

Fast wie ein Wunder wirkt es, dass der Anteil internationaler Aussteller selbst unter den aktuellen Bedingungen immer noch bei der Hälfte liegt (Soll 60 Prozent), bei insgesamt 154 Galerien (ohne die kuratierten Sektionen). Das ist auch Bonacossas Wunschgröße, nicht zuletzt mit Blick auf die vorhandene Kaufkraft. Die wird auch in diesem Jahr verstärkt durch die Anwesenheit vornehmlich europäischer Privatsammler, die die Artissima wegen ihrer inhaltlichen Ausrichtung schätzen.

Tatsächlich gilt die Messe traditionell weniger als Cash Cow, sondern als Schaufenster und Kontaktbörse für Kuratoren und Institutionen. Daher sind die Stände in der Regel ambitionierter als andernorts. Auf kaum einer großen Messe sind sonst so viele Skulpturen und Installationen zu sehen. Nikolaus Oberhuber von der Galerie KOW erklärt, dass sich das wilde dystopische Potpourri unter dem sarkastischen Motto „siamo ricchi in tutto“ an ihrem Stand in einer Art intellektuellem Ping-Pong zwischen ihnen und Jocelyn Wolff aus Paris ergeben hätte, mit dem sich die Berliner den Stand teilen.

15 Galerien sind aus Deutschland angereist, das ist nicht besonders viel im Vergleich mit dem kleinen Österreich, das immerhin ein rundes Dutzend Beiträge liefert, und das durchaus erfolgreich: Schon am ersten Tagen haben unter anderem Kargl und Charim substanziell verkauft. Für eine Messe, deren Sammler in dem Ruf stehen, sich eher gegen Ende für einen Kauf zu entscheiden, ist das ermutigend.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Artissima 2021
05 - 07.11.2021

Oval - Lingotto Fiere
10126 Turin, Via Nizza 294
Email: info@artissima.it
http://www.artissima.it
Öffnungszeiten: täglich 11 - 19 h


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