
Unerwünschte Nebenwirkungen
Das Feld ist schwer vermint. Wie über Sexualität sprechen in Zeiten von Donald Trump und youporn? Wie mit der Tatsache umgehen, dass Jugendliche heute mit einer völlig anderen Vorstellung von Erotik aufwachsen als, sagen wir, Minderjährige der 1990er-Jahre? Und wie könnte da die Kunst ins Spiel kommen?
Eine gute Möglichkeit, sich dem Komplex zu nähern, bietet derzeit die Ausstellung „Die Kraft des Alters“ im Belvedere. Kuratorin Sabine Fellner macht darin – unter anderem – sichtbar, dass Schönheit und Erotik nicht zwingend etwas mit Jugendlichkeit und straffer Haut zu tun haben. Im Begleitbuch verfasste Robert Pfaller, Allzweckwaffe gegen die political correctness, einen Essay.
Doch bevor man die Ausstellung betritt, wird man gleich drei Mal gewarnt. „Wir weisen darauf hin, dass in der Ausstellung DIE KRAFT DES ALTERS einige Werke sexuelle Darstellungen enthalten und möglicherweise nicht für Kinder und Jugendliche geeignet sind“, heißt es da. Was ist damit gemeint? Renate Bertlmanns fröhliche Skulptur „Viagra“, ein erigierter Plastikpenis, präsentiert auf einem goldenen Polster? Das Foto von Heidi Harsieber, auf der ein Kopf zwischen zwei Schenkeln einen Cunnilingus andeutet, ohne dass ein Geschlechtsorgan zu sehen ist? Jürgen Tellers nackte Vivienne Westwood? Oder Josef Kerns Männerakt? Pornografie schaut anders aus. Und meine fünfjährige Tochter würde derlei keinesfalls verschrecken.
Nach einer Erklärung für die dreimalige Triggerwarnung gefragt, kommt aus dem Belvedere eine eigenartige Erklärung: „Auf Grund der Erfahrung von früheren Ausstellungen informieren wir unser Publikum im Vorfeld, um etwaige Beschwerden von Besucher_innen zu vermeiden. Nacktheit und Sexualität im Museum sind, wider der gängigen Meinung, für viele Menschen ein sensibles Thema und das wollen wir auch akzeptieren.“ Das ist so, als wäre für einen, der sich einen Action-Film anschaut, die Betrachtung von Schusswaffen unzumutbar. Kann man nicht ein bisschen Mündigkeit von seinem Publikum verlangen? Museen sollten mit offenem Visier für die Kunst und ihre Freiheit kämpfen. Und nicht vor möglicherweise unerwünschten Nebenwirkungen warnen.
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Abbildung: Nina Schedlmayer
