Werbung
,

Georgia O´Keeffe: Die Intimität des Sublimen

Die legendäre Georgia O'Keeffe war Begründerin einer erfolgreichen amerikanischen Malkultur und die wohl innovativste Malerin des vorherigen Jahrhunderts. Ihre Personalen gelten als Raritäten. Das Bank Austria Kunstforum in Wien widmet der außergewöhnlichen Künstlerin die bisher umfangsreichte Retrospektive in Europa. Die Kooperation des Kunstforums mit der Tate Modern, London und der Art Gallery of Ontario, Toronto ist der Triumph dieser großartigen Ausstellung. Zu sehen sind 85 Werke O'Keeffes und 60 Fotografien von befreunden Fotografen, darunter jene ihres bekannten Ehemannes und Förderers Alfred Stieglitz. Einige der gezeigten Stieglitz-Fotografien sind auch Porträts seiner Frau, die zwanzig Jahre seine Muse war. Genau vor genau 100 Jahren stellte dieser bedeutende Anführer der progressiven, in Europa verwurzelten Moderne O`Keeffers abstrakte Kohlezeichnungen in seiner New Yorker Galerie 291 - ohne ihr Wissen - erstmals aus und leitete somit ihre Kunstkarriere mit einer unglaublichen Spannweite von über sechs Dekaden ein. Zuerst malte die im Mittelwesten, in dem kleinen Ort Sun Prairie geborene Amerikanerin leidenschaftlich die weiten, ausgedehnten Naturräume ihrer Heimat, heiße Winde und den unendlichen Horizont in Texas, später fügte sie ihren, mit ondulierenden Linien konstruierten, coolen Landschaftsvisionen einige stilisierte und verfeinerte Details, wie zarte Lilien, sonnengebleichte Knochen oder übergroße Tierschädel hinzu. In einigen dieser Bilder, wie Eselschädel mit rosa Weihnachtsstern (1936) kombinierte sie all diese Elemente zu einprägsamen Apologien und Allegorien für national-westliche Sehnsüchte. Von Anfang an legte Georgia O'Keeffe großen Wert auf abstrahierende Formen, die ihre emotionalen Empfindungen und den Sinn für Dekor zum Ausdruck bringen sollten. Einen Weg zeigte ihr Kandinskys Vorstellung über „Das Große Reale“ im Spannungsfeld zur Abstraktion in seiner Schrift Über das Geistige in der Kunst sowie die synthetisierende Malerei von Arthur G. Dove. Als revolutionär erwies sich jedoch ihr Interesse für den Kamerablick und optische Effekte der modernen Fotografie: Das Spiel mit Close-Up, Spiegelung, Beschneiden oder Fokussieren des Dargestellten - diese kniffligen Griffe der Fotografie brachten ihre Bildfindungen in die Nähe der europäischen Neuen Sachlichkeit und kündigten gleichzeitig die nachfolgende amerikanische PopArt an. Dabei war das Ausbreiten eines überdimensionalen, offenen Feldes als Projektionsfläche der Leinwand ihr eigenständiger Verdienst, wobei die Idee des Sublimen - wie später bei Barnett Newman - eine wesentliche Rolle spielte. Nach der verheerenden Weltwirtschaftskrise wandte sich die emanzipierte Frau, die gerne reiste, immer öfters dem Südwesten und dem „Great American Thing“ zu, meist auf der Suche nach „nationaler und kultureller Identität“ unter dem Vorzeichen des Persönlichen. Drei Jahre nach ihrer Personale im Whitney Museum und Stieglitz’ Tod (1946) übersiedelte sie endgültig nach Abiquiu in New Mexico: dort malte sie kahle wellenförmige Berglandschaften, tornadoähnliche Luftwirbel, vom Wind verwehte, glatte Sandhügel und stumme Lehmbauten in feurigem Rotorange - parallel dazu, immer wieder an der sehr reduktionistisch konzipierten Werkgruppe Patio. Die existentielle Intensität ihrer malerischen Auseinandersetzung wäre mit der etwa gleichzeitig entstandenen Serie konkreter Kunst von Joseph Albers Hommage to the Square vergleichbar. Außerdem arbeitete sie an einer weich-geometrischen und minimalistisch angelegten Bilderreihe, in der sie sich mit einer horizontalen Wand und rechteckigen Tür aus verschiedenen Wahrnehmungswinkeln beschäftigte. Die zwei besten Bilder dieser Serie, My Last Door und Black Door with Red (beide 1954) stehen im Zentrum der Kunstforums-Ausstellung. Erst nebenan hängen die berühmt-berüchtigten, von der vor allem maskulin dominierten Rezeption als erotisiert interpretierten Blumenbildnisse der Künstlerin. Diese zu Zeiten ihres Entstehens als „schamlos“ bezeichneten Werke offenbaren O`Keeffes Gefühl für das sublime Intime. Nahansichten auf und in kunstvolle Blumenkelche sind ausdrucksstarke Beispiele ihrer zielstrebigen künstlerischen Entwicklung, die ihresgleichen sucht.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Georgia O´Keeffe
07.12.2016 - 26.03.2017

Bank Austria Kunstforum
1010 Wien, Freyung 8
Tel: +43 1 537 33 26, Fax:
Email: office@kunstforumwien.at
http://www.kunstforumwien.at
Öffnungszeiten: Mo-So 10.00-19.00 h
Fr 10.00 - 21.00 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: