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Louise Bourgeois - Zeichnungen und Skulpturen: Jagdtrophäen der geopferten Männlichkeit

1982 ließ sich Louise Bourgeois von Robert Mapplethorpe mit ihrer großen Penis-Skulptur \"Fillette\", die sie unter den Arm geklemmt hat wie eine Handtasche, selbstbewusst lächelnd fotografieren. Im selben Jahr widmete ihr das New Yorker MOMA als erster Frau eine Retrospektive. Inzwischen ist die heute Neunzigährige zur Ikone feministischer Kunst geworden. Das so genannte \"Kleine Mädchen\" unter ihrem Arm stammt aus dem Jahr 1968 und hängt nun als Remake wie eine Jagdtrophäe der geopferten Männlichkeit an einer Schnur im ersten Stock des Kunsthaus Bregenz. Mit scheinbar genmanipulierten Geschlechtsteilen, die weiblich und männlich zugleich sind, hat Bourgeois die Kunstwelt einst geschockt. Direkt neben mehreren dieser Gebilde der späten Sechziger sind ihre weniger bekannten, bildhauerischen Anfänge ausgestellt, bemalte Holz- und Bronzestelen von 1949. Damals beschloss die verhinderte Mathematikerin, die jeden Tag fast manisch zeichnete, ihre Kunst in den Raum zu führen. Sie hätte den Weg der Abstraktion weitergehen können, stattdessen begann sie, ihre Zeichnungen in einzigartige, surreale Installationen umzusetzen. Die auf den ersten Blick fast kindlich wirkenden Bilder, die in endlosen Reihen an die Wände tapeziert sind, bergen vielleicht den geheimen Code, der ihre mit persönlichen Gegenständen gefüllten Käfige und skurrilen Objekte entschlüsseln könnte. Doch der alte Parfumflakon oder das ausgeleierte Kleid, das an einem Tierknochen hängt, weckt bei jedem Betrachter ganz eigene Erinnerungen. Dass Louise Bourgeois ihre Mutter verehrt und den untreuen Vater in einem wiederkehrenden Alptraum verspeist hat, ist dabei nicht mehr als eine biografische Notiz. Und wer aufgrund der vielen Ausstellungen der letzten Zeit glaubt, er kenne das Werk der Künstlerin bereits in- und auswendig, wird hier eines Besseren belehrt. Selbst die große Bronzespinne, die man schnell als \"Symbol der Mutter\" identifiziert hat, lohnt es, vor Ort erfahren zu werden. Fast klein wirkt das Markenzeichen von Louise Bourgeois in dem riesigen Betonbau, der den fantastischen Bildwelten der Künstlerin eigenartigerweise viel Raum nimmt.
Mehr Texte von Julia Wallnöfer

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Louise Bourgeois - Zeichnungen und Skulpturen
06.07 - 15.09.2002

Kunsthaus Bregenz
6900 Bregenz, Karl Tizian Platz
Tel: +43 5574 48 594-0, Fax: +43 5574 48 594-8
Email: kub@kunsthaus-bregenz.at
http://www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


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