Werbung
,

Exchange & Transform: Von der Austauschbarkeit politischer Inhalte

\"Heute verteidigt ihr den Staat, morgen werdet ihr eingespart\", schreien die Demonstranten, den Polizisten in Schutzmontur zu. Angesichts der derzeitigen Kürzungen bei der Exekutive, erscheint diese verbale Attacke der Globalisierungsgegner beim \"World Economic Forum\" in Salzburg am 1. Juli 2001 wie eine prophetische Vorwegnahme. Der Wiener Oliver Ressler hat auf Video festgehalten, was in der medialen Berichterstattung so gut wie nie vorkommt: Staatsgewalt gegen Bürger. Er macht den schleichenden Wandel von der Demokratie zur \"Demokratur\" anschaulich. \"This is what democracy looks like\", ein weiterer Ruf der Demonstranten, ist zugleich der Titel seines Filmes. Ressler steht mit seiner Kamera hinter den Pressefotografen bzw. -kameraleuten und zeigt, wie aus ein paar radikalen Protestierern groß aufgemachte Schlagzeilen werden. Immer wieder thematisiert die Ausstellung \"Exchange & Transform\" die Mechanismen von Politik und \"freier\" Marktwirtschaft. Menschen werden zu Waren degradiert, als Prostituierte verkauft oder zu kritiklosen \"Executive Officers\" umfunktioniert. Carey Young zeigt sich in ihrem Video \"I am a revolutionary\" als Business-Frau im dunklen Anzug, die auf Befehl eines Persönlichkeitstrainers sagt, sie sei eine Revolutionärin. Getreu dem Ausstellungstitel gleicht die Schau einem Chamäleon, das sich für den Besucher mit der Zeit immer wieder verändert. Nacheinander werden Videoarbeiten etwa von Pierre Huyghe oder Liam Gillick ausgestellt, viele Kunstprojekte sind noch im Entstehen, Elin Wikström näht vor Ort ihre Anti-Konsum-Kleidung und auch die Stadt wurde zur Ausstellungsfläche. Da konnte man Plakate sehen mit Slogans wie: \"Das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit erfolgreich ausgesetzt. Nächstes Jahr wieder!\". Oliver Resslers plakative Anspielung auf die Abriegelung der Münchner Innenstadt während der NATO-Sicherheitskonferenz vom 1.-3.2. 2002 stand zufällig einem echten Plakat gegenüber, auf dem Johannes Rau zu Wort kommt: \"Durch Deutschland muss ein Ruck gehen. Packen wir?s an!\". Wohl nur wenige Passanten werden den feinen Unterschied bemerkt haben. Resslers Eingriff mit dem ironischen Titel \"Liberalitas Bavariae\" verdeutlicht die Austauschbarkeit politischer Inhalte.
Mehr Texte von Julia Wallnöfer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Exchange & Transform
27.04 - 01.09.2002

Kunstverein München
80539 München, Galeriestrasse 4
Tel: +49 (0)89 22 1152, Fax: +49 (0)89 22 9352
http://www.kunstverein-muenchen.de
Öffnungszeiten: Di - So 11.00 - 18.00 Uhr


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: