Isabella Marboe,
Der chirurgische Blick. Inszenierte Fotografie - Wiener Aktionismus. Sammlung Konzett: Inszenierte Aktion, chirurgischer Blick
Blut, Sperma, Schweiß und Tränen: die Zertrümmerung des Tafelbildes durch die Wiener Aktionisten verlief eruptiv und brachialgewaltig. Mit genitalzentrierten Körper – und Materialeinsatz sprengten seine Hauptprotagonisten Hermann Nitsch, Otto Muehl, Rudolf Schwarzkogler und Günther Brus die Grenzen des gängigen Kunstbegriffes und fegten dabei auch gleich die bürgerlichen Werte, den Katholizismus und so ziemlich alles vom Tisch, was dem damaligen Österreich hoch und heilig war.
Bevorzugte Requisiten bei der aktionistischen Demontage aller tradierten Moral- und Bildvorstellungen waren Opferlämmer, Kreuze, Messer, Kabel, Rasierklingen, sowie ähnlich scharfe, assoziationsträchtige Gegenstände, die nach einer genauen Choreografie an den Körpern der Künstler und anderer Beteiligter effektvoll zum Einsatz kamen. Einst skandalumwittert und verfemt, zählt der Aktionismus heute zu den international bedeutendsten Strömungen der österreichischen Nachkriegskunst.
Der selbstübermalte, weiße Schmerzensmann Günter Brus, der bandagierte Rudolf Schwarzkogler und die Fotos einiger Aktionen sind längst selbst zu Ikonen im kulturellen Bilderkanon geworden. Das ist kein Zufall: die Künstler waren sich der Wirkung und Aussagekraft der Fotografie als eigenständigem Medium sehr bewusst. Sie bestimmten genau darüber, wie ihre Aktionen für die Nachwelt in Szene zu setzen waren. Die Schau „Der chirurgische Blick“ in der Galerie WestLicht widmet sich diesem bisher kaum beachteten Aspekt.
„Der Aktionismus ist eine multimediale, interdisziplinäre Kunstform. Die Rolle der Fotografie geht weit über das Dokumentarische hinaus: es handelt es sich um eine frühe Form der inszenierten Fotografie mit einer sehr präzisen Bildsprache“, so Kurator Dr. Hubert Klocker. Er wählte etwa 120 Exponate aus der Sammlung Philipp Konzett aus, die ihrer aktionistischen Natur gemäß die Grenzen des rein Fotografischen sprengen. Neben Vintage-Prints und Kontaktabzügen sind auch Zeichnungen, Druckgrafiken, Collagen und Videos zu sehen.
Sie entstanden vor allem zwischen 1964 und 67. Damals entwickelten Nitsch, Brus, Schwarzkogler und Muehl originäre Dokumentationsformen für ihre Aktionen, die meist im Freundeskreis statt fanden. So wird die Zeichnung einer Hand mit Rasierklinge und Nägeln zu einer Selbstbemalungsaktion von Günter Brus quasi zur Handlungsanweisung an den Fotografen. Die meisten Aufnahmen sind klassische Hasselblad-Mittelformate, auf den Kontaktabzügen sieht man, wie einige beschnitten werden sollten. Als kongenialer Partner erwies sich Ludwig Hoffenreich, der nicht immer, aber meistens auf den Auslöser drückte. Brus und Schwarzkogler haben ein Faible für den fokussierten Blick auf selbstdestruktive Tendenzen, die bühnenhafte Inszenierung von Hermann Nitsch nimmt das Orgien-und Mysterientheater vorweg, Muehl zeigt voyeuristische Liebe zum Detail und einen starken Hang zur Farbe.
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Der chirurgische Blick. Inszenierte Fotografie - Wiener Aktionismus. Sammlung Konzett
20.01 - 22.03.2009
Westlicht
1070 Wien, Westbahnstrasse 40
Tel: +43 1 522 66 36 - 0, Fax: +43 1 523 13 08
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http://www.westlicht.com
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