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Martin Gostner - Seitlich aus der Requisite kommend: Die Schattenseiten der Heimat

Die Heimatidylle aus dem Beisel trieft vor Fett und riecht ranzig. Die zwei Holzbänke und der Tisch sind mit Schnitzelpanier überzogen und mittels Spotlicht gekonnt in Szene gesetzt. Eine Kulisse der Bierseligkeit, schunkelnde Menschen stoßen an "auf die Gemütlichkeit", fast meint man "Hey Baby" im Hintergrund zu hören. Doch das Schauspiel läuft nur in der Vorstellung des Betrachters ab, die schmalzigen Requisiten bleiben leer. Martin Gostner versetzt den Ausstellungsbesucher in sechs Rauminstallationen in immer neue Gefühlswelten, verarbeitet die Eindrücke, die sich zwischen seiner Tiroler Heimat, der "Provinz", und der weiten Welt eingebrannt haben. Hinter dem Einbauschrank aus dem kleinbürgerlichen Wohnzimmer bricht eine Flutwelle hervor. Die Schranktür wird zur Pforte in die virtuellen Weiten der Videoinstallation. Gostner ist früh aus der Enge des ringsum von Bergen eingeschlossenen Innsbruck ausgebrochen, hat über Wien, Köln, Mailand und London den Duft der Großstadt aufgesogen. Doch eine intensive Hassliebe trieb ihn wieder in den Bergkessel zurück, wo Städtisches unvermittelt auf gewaltige Natur trifft. Im Untergeschoss der Galerie im Taxispalais tritt man über einen Holzsteg in eine Wolkenlandschaft aus Watte. Wie von einem Berggipfel schaut man hinab, wo die ganze Welt als flüchtiger Abdruck in dem zarten Material gespeichert ist. Seit vielen Jahren arbeitet Gostner mit Watte, die in ihrer Gestaltlosigkeit ein idealer Gedankenträger ist. In der raumfüllenden Vollkommenheit verblassen die Schattenseiten der "Heimat", wie sie in dem Video "Über?m Pfandl" zutage treten. Darin wird ein penibel inszenierter, muffiger 70-er Jahre Wohnraum von drei Eindringlingen zerstört. Man verfolgt das Geschehen als Voyeur aus dem Blickwinkel einer Überwachungskamera. Der Künstler reflektiert hier das persönliche Erlebnis eines Einbruchs, der seine Privatsphäre zum öffentlichen Gewaltschauplatz gemacht hat. Der Übergang zwischen heimeliger Beisel-Atmosphäre und dumpfer Aggression ist fließend. Und irgendwie hängt hartnäckig der Geruch von abgestandenem Schnitzelfett in der Luft.
Mehr Texte von Julia Wallnöfer

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Martin Gostner - Seitlich aus der Requisite kommend
01.02 - 24.03.2002

Taxispalais Kunsthalle Tirol
6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Str. 45
Tel: +43 512 594 89 401
Email: info@taxispalais.at
http://www.taxispalais.art
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr


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