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Documenta 14 filmreif: Exergue

Auf der diesjährigen Berlinale feierte der 14stündige Film „Exergue“ Premiere, für den der Filmemacher Dimitris Athiridis den Kurator Adam Szymczyk und sein Team bei den Vorbereitungen zur Documenta 14 zwei Jahre lang mit der Kamera begleitet hat. Zu sehen sind Gespräche mit Künstlerinnen und Künstlern, Teamsitzungen und natürlich auch Verhandlungen mit Sponsoren und Politkern. Gezeigt werde aber auch Szenen eher geselliger Natur: Mitglieder des Teams beim Dinieren in Restaurants, beim Klönen mit Freunden, beim Kaffeetrinken. Langsam aber sicher erkennt man dann in Laufe des Films wie die Doppelausstellung - die Documenta fand erstmals in zwei Städten statt, in Athen und Kassel -  Gestalt annimmt, wie Projekte verworfen, andere vorangetrieben werden. Zudem werden diverse Ortsbegehungen mit Künstlern und auch Ansichten der beiden Städte gefilmt. Meist im Mittelpunkt steht dabei der künstlerische Leiter Adam Szymczyk, der „Star“ des Films. Dieses kann als Starkult kritisiert werden, dennoch macht diese prominente Stellung Szymczyks in „Exergue“ durchaus Sinn, schließlich war die Documenta 14 noch eine Documenta, die nicht dezidiert von einem Kollektiv geleitet wurde, sondern von einer dazu bestellten Person.       

Die Highlights der 14 Stunden sind die Passagen, in denen das kuratorische Team das Konzept der Documenta 14 kontrovers und auf hohem Niveau diskutiert. Leitmotiv dabei ist folgende in den Gesprächen immer wieder bedachte Feststellung: Der Kollaps der westlichen (eurozentristischen) Werte, der, paradoxerweise, mit Hilfe dieser westlichen Werte analysiert wird. Diese Erkenntnis wird dann angewandt auf die Documenta 14: Die Obsoletheit des Kunstbetriebsmodus der Ausstellung vorzuführen, indem man mit Hilfe des Ausreizens aller denkbaren Formen des Zeigens, das eurozentristische Format an seine Grenzen bringt. Genau dieses hat die Documenta 14 geleistet und so den Modus Ausstellung zu einem vorläufigen Endpunkt geführt. Zu einem Endpunkt, an dem die Documenta 15 und ihr Kuratorenkollektiv, das an die Stelle des einen künstlerischen Leiters getreten ist, dann anknüpfen konnte. Dieses vor allem dadurch, das bei der Documenta 15 eben nicht mehr die (westlich-) eurozentristische Idee des Ausstellens von in erster Linie (warenförmigen) Objekten für ein mehr oder weniger passiv rezipierendes Publikum im Mittelpunkt der Ausstellung stand - eine Idee, die auch das kuratorische Team der Documenta 14 in seinen Diskussionen immer wieder kritisierte - sondern ein performatives Ausstellen, das auf konstituierende Momente wie Kollektivität, Temporalität, Prozesshaftigkeit, Recycling und Interaktion setzte. 

Ein zweiter wichtiger Punkt bei den in „Exergue“ gezeigten Diskussionen ist die Betonung der Bedeutung des Globalen Südens – man denke nur an das von Documenta 14 herausgegebene „South Magazin“ – und seiner Kunst. Hier nun schließt die Ausstellung an die von Okwui Enwezor kuratierte Documenta 11 an. Enwezor ist dann auch nicht zufällig früh im Film zu sehen. Deutlich also wird in „Exergue“ nicht nur die intensive intellektuelle Arbeit, die dem Kuratieren der Documenta 14 zu eigen war, sondern auch die Genealogie, in der die Ausstellung stand. Die Documenta 14 war eben keine „leere Hülle“, die „mit beliebigen Inhalten befüllt“ war, wie der Kunsthistoriker Harald Kimpel kürzlich in einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau behauptete, um dann ein Ende der Documenta zu fordern. Die von Kimpel verleugnete „evolutionär entwickelte Idee der Documenta“ ist ihr vielmehr immer noch deutlich eingeschrieben, „Exergue“ zeigt eindrucksvoll, wie diese „Idee“ bei der Documenta 14 monatelang entwickelt worden ist.

Mehr Texte von Raimar Stange

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