Werbung
,

Wolfgang Voigt - Mit Maschinen sprechen: Deutsche Gegenwartskunstgröße

Wolfgang Voigt (Jg. 1961) zählt zu den ganz Großen der Gegenwartskunst aus Deutschland.  Wenn der Kunstbetrieb davon bisher kaum Notiz genommen hat, liegt das wohl daran, dass sein Werk vorrangig in der Musik stattfindet. Zum Glück – schaut man sich an, was der Hochkulturverwertungsbetrieb mit Kraftwerk angerichtet hat.

Mitte der 1990er-Jahre trat Voigt als Autor höchst eigenständiger, konsequent populärer Hör- und Tanzmusiken hervor, die den Gebrauchscharakter, den House-/Technotracks als Disko-Futter zwangsläufig haben, weit hinter sich ließ. Seitdem betrieb er unter anderem als Gas, Mike Ink oder Wassermann eine selbstreflexive Form der Musikproduktion, die Material und Struktur konsequent aus der Repetition, Serialität und Differenz elektronischer Clubmusik ableitet. In immer neuen Versuchsanordnungen de- und rekonstruiert er die „klassischen“ Elemente des 4/4-Beats, des Loops und seziert zugleich charakteristische Sounds wie den „Acid“ des Roland TB 303-Synthesizers. Nicht zuletzt sind seine Kompositionen dank versierten Einsatzes von Samples von Bach bis Bolan musik- und emotionsenzyklopädisch.

Voigts Wissen um die Wirkungsweisen von Klang hält sich mit der unbedingt gewollten Wirkung die Waage. In anderen Worten: Was in der Beschreibung technisch dröge klingt, haut beim Erleben, Hören, Tanzen umso besser rein. Wo sich House- und Techno-bezogene Musiken bis heute immer noch oft an möglichst originalgetreuen Repliken ihres Gründungsmythos aus dem queeren, schwarzen Underground US-amerikanischer Großstädte abarbeiten, hat Voigt zudem ein popmusikalisches Idiom erfunden, das man zurecht so „deutsch“ wie „internationalistisch“ nennen kann. Seine konzeptuell konstruierte Volksmusik 2.0 verzaubert – als Gas – ihre Hörer und scheut – als Wassermann – den Härtetest im Club nicht, wo man bekanntlich schneller als im Konzertsaal merkt, ob ein Stück zündet oder nicht.

Das künstlerische Gesamtpaket rundet eine Veröffentlichungspolitik ab, die man nur „autorschaftlich“ nennen kann. Kein Release, dem nicht an Titel, Artwork oder der Gestaltung in Serie, nach Farbe oder per Wording anzusehen wäre, dass er in einen Werkzusammenhang gehört. Ein frühes Label, das Voigt mit Jörg Burger und Kahn betrieb, heißt passend Structure, Protest ein neues. Seit langem platziert er seine Projekte auf eigenen, unabhängigen Labels unter dem Dach von Kompakt Schallplatten in Köln: eine handfest „kuratierte“ Produktions- und Vertriebsplattform.

Frei nach Peter Osbornes griffiger Definition, findet Gegenwartskunst „everywhere or not at all“ statt. Das trifft auf Voigts polyfacettiertes Werk natürlich exakt zu. Dass er seit einiger Zeit digital produzierte, in strengem Sinn „bildende“ Kunst macht, passt ebenso ins Bild.

Super, wenn die Berlin/Kölner Galerie Nagel Draxler Voigt nun eine amtliche Galerieschau ausrichtet. Da präsentiert er unter dem Titel „Mit Maschinen sprechen“ moderat eingepreiste Fine Art Prints serieller Digital-Kompositionen, an denen auch Freude haben dürfte, wer die Alt-Serialität eines Peter Roehr schätzt. Zudem demonstriert eine Reihe digital-gestisch „gemalter“ Abstraktionen, was sich mit einem Patentrezept wie Gerhard Richters „Strips“ so alles anstellen ließe, setzte man diese nur anständig unter Strom.  Audiovisuelle Krönung ist das aktuelle Video-cum-Sound-Werk „Loop Konstrakt“ (2024), das auch als limitiertes Vinyl-Dubplate mit eleganter Cover-Art zu haben ist.          

Ehrlicherweise ist zu sagen: Die Bildkunst Voigts profitiert nicht gerade von dem Problem, dem sich Rechner-generierte Kunst generell zu stellen hat: dass sie in materialer Form irgendwie halt „ausstellbar“ werden muss. Da kommt der Drucker gerade recht. Einem Werk, das, wie gesagt, sowieso „everywhere“ und ziemlich im Fluss ist, kann das aber nicht allzu viel anhaben.

Mehr Texte von Hans-Jürgen Hafner

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Wolfgang Voigt - Mit Maschinen sprechen
27.01 - 13.04.2024

Nagel Draxler Crypto Kiosk
10178 Berlin, Rosa-Luxemburg-Straße 33
Tel: +49 30 40042641
Email: berlin@nagel-draxler.de
https://nagel-draxler.de
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 12-18 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: