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Flatz - Something wrong with Physical Sculpture: Die gerettete Haut

In Wien gab es kürzlich als Abschiedsgeschenk von Martin Kušej 36 Stunden Flatz in und um das Wiener Burgtheater, selten genug, dass der in Vorarlberg geborene Künstler im östlichen Österreich präsent ist. In der Münchner Pinakothek der Moderne ist eben noch eine kleinere umsichtig zusammengestellte Retrospektive zu sehen.

Die (Medien-)Reaktion war gewaltig, als im Vorfeld der Ausstellung „Something wrong with the physical sculpture“ bekannt wurde, bei der Eröffnung würden in Zusammenarbeit mit Christie's die 13 Tatoos des Künstlers unter dem Titel „Die Haut zu Markte tragen“ einzeln zur Versteigerung gelangen. Nach dem Zuschlag würde man vorerst eine Fotografie des entsprechenden Motivs auf der Hautoberfläche erhalten, nach dem Tod des Künstlers dann das entsprechend präparierte Original im Rahmen. Echt jetzt, mochte man sich fragen, Christie's versteigert innerhalb einer Benefizauktion menschliche Haut? Von Anfang an wäre klar gewesen, erklärt Dirk Boll, Präsident von Christie's EMERI, der die Auktion geleitet hätte, „Wir versteigern die Fotos, alles andere ist alles andere.“ Um tatsächlich irgendwann ein Stück tätowierte Haut von FLATZ zu besitzen, wären demnach zusätzliche Verträge notwendig gewesen, mit denen das Auktionshaus nichts zu tun gehabt hätte. Dazu kam es allerdings nicht, denn kurz vor der Auktion wurde vermeldet, ein Sammler hätte sich alle Tätowierungen en gros gesichert. Als PR-Aktion hatte die Ankündigung bestens funktioniert, bei der übervollen Ausstellungseröffnung gab es dann statt der Auktion die Aktion in Form einer Nacktperformance des Künstlers, bei der die Körperzeichnungen sozusagen am lebenden Subjekt präsentiert wurden. In der Ausstellung ist nun die unversehrte Hülle aus Silikon zu bestaunen.

Es wäre nicht die erste spektakuläre Aktion des Künstler gewesen. Seinen Körper hat er über die Jahrzehnte einiges zugemutet, unter anderem als Zielscheibe von Dartpfeilen oder kopfüber als schwingender Glockenklöppel zwischen zwei Stahlplatten. Die Performance „Demontage IX“ aus dem Jahr 1991 ist als Mitschnitt nun in der Ausstellung auch zu sehen. Davor allerdings muss man sich durch 26 dicht aneinander hängende Boxsäcke Eintritt verschaffen. „Bodycheck“ heißt die Arbeit und war in etwas größerem Umfang auf der documenta IX in Kassel installiert. FLATZ selbst führt dazu aus, es wäre „eine Metapher über das Zusammenspiel von Macht und Masse. Form und Inhalt, von Gewalt und Provokation, von Täter und Opfer, von Künstler und Gesellschaft und ein Stück vom Leben.“ Überhaupt darf bei dieser Schau mit ausgewählten Arbeiten der letzten 50 Jahre festgestellt werden, dass das Auftreten als Macho eher Masche und längst perdu ist. Dafür gibt sich der Künstler mittlerweile als auch reflektierter, feinsinniger Lyriker. Zu hören unter drei riesigen Hüten der Designerin Fiona Bennett.

Da mag es selbstzerstörerische Aktionen gegeben haben, schwere Motorräder und schockierende Bilder, doch wie fragil dieses vermeintliche Musterbeispiel eines testosterongesteuerten Männerbilds ist, zeigt das Ausstellungstitel gebende Foto „Something wrong with physikal Sculpture no.0“: Der Künstler nackt mit Krücken und geschienten Bein, selbst beim angelegten Penisring grübelt man, er hätte womöglich eine orthopädische Funktion.

Bei einem Œuvre das ein halbes Jahrhundert umfasst, scheint so manches heute aus der Zeit gefallen, manches hingegen ist hochaktuell, das in aller Selbstverständlichkeit zu zeigen, macht eine Qualität der Ausstellung aus.

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Flatz - Something wrong with Physical Sculpture
09.02 - 05.05.2024

Pinakothek der Moderne
80333 München, Barer Straße 40
Tel: +49 89 23805 360
Email: info@pinakothek.de
http://www.pinakothek.de
Öffnungszeiten: Di - Mi 10.00 - 18.00, Do 10.00 - 20.00, Fr - So 10.00 - 18.00


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