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Maestras - Malerinnen 1500 bis 1900: Die Macht der Meisterinnen

Die Sichtbarkeit von Frauen in der Kunstgeschichte hat sich wesentlich gesteigert, aber die große Aufmerksamkeit für die Ausstellung „Maestras“ im Arp Museum Bahnhof Rolandseck, führt vor Augen, dass es nach wie vor eine Notwendigkeit gibt, das allzu einseitig von Männern geprägte Bild zu korrigieren. Susanne Blöcker hat die im letzten Jahr im Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid veranstaltete erste Etappe der Schau für Remagen adaptiert und neue und eigene Akzente gesetzt, um das Feld zu entdeckender Künstlerinnen zu erschließen.

Meist in Einzelwerken dokumentiert, reicht die zeitliche Spanne vom 12. bis ins 20. Jahrhundert, beginnt mit Hildegard von Bingen und endet mit Sophie Taeuber-Arp, räumlich sinnfällig gegliedert in Sujets und Epochen. Emblematisch veranschaulicht ein Bild der Mailänder Künstlerin Fede Galizia die Macht der Meisterinnen, mit ihrem Bild „Judith mit dem Kopf des Holofernes“, das um 1600 entstand und dessen Heroin als Selbstporträt der Künstlerin interpretiert wird. Die biblische Geschichte von der Tötung des assyrischen Feldherren erscheint hier überlagert von einem doppelten Rollenmodell, zugleich der künstlerischen und politischen Mächtigkeit der Frau. Die Ausstellung spart aber auch nicht das Motiv der Mutterschaft aus, deren Ambivalenz mit Blick auf das gesellschaftliche Korsett Suzanne Valadon in dem Bild „Marie Coca und ihre Tochter Gilberte“ 1913 über das Motiv einer Puppe zentral auf den Punkt bringt und an Henrik Ibsens Stück „Et dukkehjem“ gemahnt.

Die Ausstellung beinhaltet aber nicht nur vergessene oder wenig bekannte Künstlerinnen, sondern auch äußerst erfolgreiche Malerinnen, die teils gönnerhaft als „Ausnahmeerscheinungen“ begriffen, auch ihren Weg in die zu lange männlich dominierte Kunstgeschichte fanden, wie Angelika Kauffmann, Rachel Ruysch oder Rosalba Carriera. Deren zeitgenössischer Erfolg ist keine Trivialität, führt aber umso mehr den Backlash des 19. Jahrhunderts vor Augen, dass liberale Tendenzen des 18. Jahrhunderts durch ein konservatives und hierarchisches Frauen- und Menschenbild revidierte, während dieselben als billige Arbeitskraft im werdenden Industriekapitalismus gern gesehene und bis heute unterbezahlte Kräfte waren.

Es stellt sich gerade hier auch die Frage nach dem, was als weiblicher Blick im Raum steht, als eine Sicht auf die Dinge, aus der eigenen sozialen Konstruktion heraus. Marie-Louise Petiet steht für diesen Diskurs ein, deren Bild „Die Wäscherinnen“ von 1882 von großer Verbundenheit zeugt und den Sinn für Solidarität schärft, das Leid harter und fortwährender Arbeit in sensible Konspiration verwandelt.

Als Exponentin der neuen Frau des 20. Jahrhunderts, die sich selbst bestimmen will, ist dann repräsentiert durch das Gemälde „Stehender weiblicher Akt (auch:Eva)“ von María Blanchard, eine Leihgabe aus dem Von der Heydt-Museums in Wuppertal aus der Zeit um 1912, dass Stilelemente der nordischen Renaissance aufgreift, eine Art Otto Dix vor Dix. Allein schon für dieses Bild lohnt sich der Besuch der Ausstellung, die auf der Karte der Kunstgeschichte schmerzliche Lücken der Unterlassung schließt. Diese „Eva“stellt sich vor und aus, souverän, stoisch, mit dem ganzen Ballast aufoktroyierter Bedeutung von Weiblichkeit bis hin zum Sündenfall.

Ihr Bildnis steht auch nicht weit von der zu unrecht oft von männlichen Kunsthistorikern belächelten Paula Modersohn-Becker, deren stilistische künstlerische Radikalität keineswegs hinter der Wahl ihrer Motive verschwindet. Im Unterschied zur Ausstellung in Madrid, ist die Skulptur nur mit einem Werk von Käthe Kollwitz präsent. Das ist ein kleines Manko der Schau, denn Emy Roeder, Milly Steger oder Renée Sintenis hätten mit ihren Werken noch weitere Akzente gesetzt. Aktuell setzt das Museum Ratingen mit der Ausstellung „Cassandra“ einen Schwerpunkt auf Künstlerinnen der eigenen Sammlung, die als Bildhauerinnen reüssierten. Hier wurde auch anlässlich der Eröffnung flankierend auf die „Maestras“ in Remagen verwiesen. Eine der hier vorgestellten Künstlerinnen steht im Verdacht, noch vor einem weitaus bekannteren männlichen Künstler Materialien und Motive definiert zu haben, ohne dass ihr Stellenwert bekannt ist. Wir stehen also vielleicht nur am Anfang einer großen Revision, der Korrektur von Geschichte, im Sinne der Gleichberechtigung.

Mehr Texte von Thomas W. Kuhn

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Maestras - Malerinnen 1500 bis 1900
25.02 - 19.06.2024

Arp Museum Bahnhof Rolandseck
53424 Remagen, Hans-Arp-Allee 1
Tel: 0049 2228 9425-0, Fax: 0049 2228 942524
Email: info@arpmuseum.org
http://www.arpmuseum.org


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