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Andreas Urteil - Skulpturen und Zeichnungen: Für immer Meister

Als der Bildhauer Andreas Urteil 1963 starb, war er gerade dreißig Jahre alt. Er war zu der Zeit bereits Lehrbeauftragter in der Klasse von Fritz Wotruba an der Akademie in Wien und hatte ein Jahr zuvor den österreichischen Staatspreis für Bildhauerei gewonnen. Seine Arbeiten waren in Bochum, Brüssel, London und Paris zu sehen gewesen. In Österreich selbst hatte er in der Secession ausgestellt, außerdem - alleine - in der Galerie St. Stephan. Das Museum des 20. Jahrhunderts widmete ihm noch im Jahr seines Todes eine Einzelausstellung. Er hinterließ ein Werk, das trotz der kurzen Schaffensperiode bereits ausgereift war, und eine noch ungeborene Tochter.

In den knapp zehn Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit hatte sich Urteil vom technisch versierten Steinmetz, der er bei seinem Eintritt in die Akademie 1951 bereits war, zu einem Künstler entwickelt, dessen Skulpturen sich neben denen seines Lehrers - und freundschaftlich verbundenem Förderers - Wotrubas behaupten konnten. Die frühen Arbeiten sind im klassischen Sinne schön, wohlgeformt, monumental, an Vorbildern der Antike, dann der Renaissance orientiert. Es sollten auch später immer Bilder des Menschen bleiben, die Urteil umtrieben - seines Körpers, seines Wesens. Mehr seiner Umstände, denn seines Wesens vielleicht. Die Umstände waren die Erfahrungen des Krieges und der Flucht, dann der Moderne und ihrer Dynamik, die Prozesse von Zerstörung, Neubeginn und Fortschritt, die Verhandlung von Leben und Vitalität mit dem "zähen Blocks" des Todes (Fritz Wotruba) und dem Zeitalter der Maschinen. Seine Titel bilden das Nebeneinander von Metaphysischem und Nüchternen ab und reichen also von "Ikarus", "Orpheus" und "Wächter" über "Fechter", "Tänzer" und sogar "Biertafel" (Letzteres "nur" für eine Zeichnung) bis hin zu solchen der Art "Synthese einer Bewegung 2", "Figur, bewegt ausschreitend", oder "Figur, gedreht". Übrigens lassen die Titel dabei nie Rückschlüsse auf das formale Vokabular der Arbeiten zu - dieses ist viel mehr an Entwicklungsschritte und Werkstoff gebunden.

Im ersten Jahr bei Wotruba entsteht noch ein "Jüngling", der in ägyptisch-blockhaftem Stil und wortwörtlich steinerner Miene dennoch ein Schreiten andeutet. Bis 1957 zehrt sein Stil stark von den Vorbildern seines Lehrers, so setzt sich der "Zeichenträger" aus Röhrenformen zusammen und betont die Orthogonalen. Die Emanzipation beginnt im Jahr darauf. "Synthese einer Bewegung 2" von 1958 ist weit bewegter und die Röhren von knorpelig-knöchernen Gelenken übertroffen, und in der "Imaginären Figur" aus demselben Jahr schließlich ist das für die folgenden Jahre grundlegende - und damit für Urteil charakteristische - Formelement gefunden, in dem sich das Auge verliert und das so viele Silhouetten, so viele mikroräumliche Situationen anbietet. 1959 zerstört Urteil einen Großteil älterer Arbeiten und diplomiert an der Akademie.

Die vier Jahre bis zu seinem Tod geht er den damit gefundenen "eigenen" formalen Weg bei gleichzeitiger Anpassung an Material und Dimension. Die Arbeiten aus dieser Zeit können nicht anders als "Meisterwerke" genannt werden, was eine bittere Ironie ist im Fall eines Künstlers, der so auf das Bewegliche und sich Entwickelnde, Lebendige bedacht war. Was gerade in der Galerie Ulysses von ihm zu sehen ist, ist aus dieser Zeit. Eine Handvoll Zeichnungen (für die Transferprozesse von Zeichnung zu Plastik, aber auch für sich allein genommen sehenswert) und ein Dutzend kleinerer Bronzen sowie zwei (lebens)großer Arbeiten zeigen den ausgereiften Künstler ohne Brüche - und also leider ohne Entwicklung.

Mehr Texte von Victor Cos Ortega

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Andreas Urteil - Skulpturen und Zeichnungen
12.12.2023 - 28.03.2024

Galerie Ulysses
1010 Wien, Opernring 21
Tel: +43 (0)1 / 587 12 26, Fax: +43 (0)1 / 587 21 99
Email: ulysses@galerie-ulysses.at
http://www.kunstnet.at/ulysses
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18, Sa 11-14


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