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Ferdinand Hodler // Parallelismus: Rückblick auf das Hodler-Jahr

Ferdinand Hodler, gestorben am 19. Mai 1918 in Genf schuf an der Schwelle von Symbolismus und Jugendstil herausragende Werke der frühen Moderne. Geboren wurde er 1853 als Sohn einer Köchin und eines Tischlers in Bern, um sich dann während seiner Lehrjahre 1872 in Genf nieder zu lassen. Seine grossformatigen Bilder mit mythologischen Frauen- oder Männerdarstellungen dürften am bekanntesten sein: Gruppen, die sich zu eigenartigen Handlungen wie « Eurhythmie », oder « Heilige Stunde » versammelt haben, meist nach Geschlechtern getrennt: ihre Glieder verrenkend, wie eingefroren die gezierten Bewegungen, die wohl von innerer Extase oder Seelenunruhe kündigen und etwas Besonderes verheissen sollen. Ein Männerbild, das nur so vor Kraft trotzt: Krieger in alten Harnischen oder ein Holzfäller mit ausholender Axt, angespannt wie ein Pfeilbogen. Natürlich darf Wilhelm Tell nicht fehlen. 1897 grüsst er von Wolkenaureolen umrandet, als sei er gerade vom Olymp herunter gestiegen. Haben wir ihn uns rothaarig vorgstellt ? Der Pathos wirkt auf uns heute wie eine Parodie. Tell ist mit einem neckisch weissen Kapuzenshirt, Sandalen und Shorts leicht bekleidet und könnte heutzutage so über Laufstege für die kommende Sommermode schlendern, seine Armbrust als modisches Accessoir schulternd. Kaum zu glauben, dass man einst die Gesten ernst genommen hat.

Einige Schweizer Museen, wie ebenso das Leopold Museum in Wien, würdigten den berühmten Maler der zu einem Inbegriff für Schweizer Kultur geworden ist. Doch eine Aktualisierung, eine Betrachtung aus heutiger Perspektive fand nicht statt. Das Kunstmuseum Winterthur ist das einzige Haus, welches Ferdinand Hodler jenseits seiner Zeit betrachtet und ihm Werke von Alberto Giacometti gegenüberstellte, dessen Existentialismus und reduktionistisches Körperverständnis in krassem Gegensatz steht. Andere Museen haben fundierte kunsthistorische Arbeit geleistet: Das Kunstmuseum Basel zeigte eine Auswahl selten ausgestellter Frühwerke Hodlers aus der eigenen Sammlung und kombinierte diese mit Dokumenten aus dem lange Zeit unzugänglichen Archiv des Schriftstellers und Journalisten Carl Albert Loosli. Das Musée d’art et d’histoire in Genf konzentriert sich innerhalb seiner umfangreichen Hodler-Sammlung darauf, Einflüsse aufzuzeigen. Des Weiteren kooperiert es mit 25 Leihgaben an der Berner Ausstellung, die nachfolgend vorgestellt wird. Das Maison Tavel in Genf zeigt, wie Hodler die Genfer Malerei geprägt hat. Im Leopold Museum in Wien werden Bezüge zwischen Holder und österreichischen Künstlern seiner Zeit aufgezeigt.

Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern mit dem Titel „Parallelismus“ ermöglicht den frischesten Blick. Die Kuratorinnen Laurence Madeline und Nina Zimmer konzentrieren sich auf Hodlers Kompositionsweise. 1897 hatte Ferdinand Hodler einen Vortrag in Fribourg über „Die Aufgabe des Künstlers“ gehalten. Diese bestünde darin, „das ewige Element der Natur, die Schönheit, zum Ausdruck zu bringen“. Das gelinge, wenn man die der Natur innewohnende Ordnung von Formen und Farben so wiedergibt, dass es beim Betrachter einen angenehmen Eindruck ergibt. Beim Naturstudium fand Ferdinand Hodler ausgewogene Kompositionsprinzipen als vorgegeben – z.B. in einer Reihe von Bäumen oder in der Spiegelung von Wolken oder Felsen in einem See. Er bezeichnete dies als „Parallelismus“ und machte ihn zum Leitprinzip seiner Bildkompositionen. Diese basieren auf Wiederholung, Symmetrie oder Spiegelung und finden sich ebenso auf grossformatigen Szenerien mit vielen Figuren als auch innerhalb eines Motivs. Die Topographie der Orte in der Schweiz, an denen die Landschaftsbilder entstanden, und die atmosphärischen Eigenheiten unterstützten diesen Blick. Nachvollziehen lässt sich dies im Berner Oberland insbesondere beim pyramidalen Berg Niesen und dessen deutliches Spiegelbild im klaren, grüntürkisblauen Thuner See. Selbst eine spezielle Formation von Wolken, die sich bei schönem Wetter entlang des Sees und unterhalb der Bergspitzen zieht, haben ihren Eingang in Hodlers Bildwelt gefunden – oder umgekehrt, wir entdecken sie wieder in der Natur.

Das Eindrückliche an der Berner Ausstellung ist, dass die Idee des „Parallelismus“ konsequent der kuratorischen Auswahl zugrunde gelegt wurde. Von den verschiedenen Motiven der Landschaftsbilder, einzelne Bergketten, Gipfel, Baumgruppen oder Ansichten vom Genfer See gibt es mindestens zwei, wenn nicht gar mehrere Varianten. Auch bei Porträt und Selbstporträt wurden die Kuratorinnen fündig. Ein leicht anderer Blickwinkel oder Ausschnitt, eine andere Tageszeit oder Wetterverhältnis schaffen eigene Farbstimmungen. Hiermit wird unser Blick gelenkt auf Farben, Formen, Flächen und Linien, auf jene Eigenschaften, welche die Moderne Kunst ausmachen.

Mehr Texte von Andrea Domesle

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Ferdinand Hodler // Parallelismus
14.09.2018 - 13.01.2019

Kunstmuseum Bern
3000 Bern, Hodlerstrasse 12
Tel: +41 31 328 09 44, Fax: +41 31 328 09 55
Email: info@kunstmuseumbern.ch
http://www.kunstmuseumbern.ch
Öffnungszeiten: Di 10.00 - 21.00, Mi - So 10.00 - 17.00


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