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Mika Rottenberg: Widerstand im Feenland

Das Kunsthaus Bregenz hat eine umfangreiche Einzelausstellung von Mika Rottenberg eingerichtet. Die Künstlerin ist 1976 in Buenos Aires geboren, in Israel aufgewachsen und lebt jetzt in New York. Sie ist in den letzten Jahren an wichtigen Events in Europa aufgefallen, unlängst bei den „Skulptur Projekte“ 2017 in Münster bzw. auch anlässlich einer Einzelausstellung im Palais de Tokyo, Paris. In den Breitengraden unseres Kunstbetriebs ist sie also keine Unbekannte mehr. Sie thematisiert den Kreislauf der globalen Produktion und Zirkulation von Waren. Gewürzt mit einer Prise Humor, Skurilität und Exotik ist ihre Postkapitalismuskritik leicht zumutbar, Vieles, was wir mit «Made in China» in Bezug setzen, greift sie auf: aus ihren Videos, Objekten und Installationen riecht man förmlich das Künstliche von Plastik, die bunten Farbstoffe, welche für Fröhlichkeit und Akzeptanz sorgen, uns verführen wollen. Zu sehen ist, wie das Plastikzeug bis zur Übersättigung angehäuft ist in «Asia»-Shops und die Arbeitenden, meist Frauen, so eng umhüllt, dass sie Bestandteil der Produktwelt werden, als sei das ihre Bestimmung. Mika Rottenberg setzt auf die Verführungskunst der industriellen Fertigprodukte.

Um so mehr sind Besucherinnen und Besucher wohl erstaunt, wenn sie ins Erdgeschoss des Kunsthaus Bregenz eintreten, denn hier offenbart sich eine ganz andere Seite der Künstlerin und damit eine ganz andere Welt: eine Stallartige, archaisch anmurtende Holzkonstruktion, in welcher verschiedene Sequenzen des Videos «Cheese» (2007) zu sehen sind. Feenartige Frauen mit luftig weiten Gewändern wedeln mit ihren langen Haaren, um Ziege, Esel und letztendlich Betrachtende zu bezirzen. Voyeuristische Blicke werden von den splittrigen Brettern aufgespiesst ebenso wie Mythen von einem ländlichen Paradies, das es wohl so nicht mehr gibt. In dieser Installation nimmt die Künstlerin auf das Land ihrer Kindheit Bezug: Israel – doch nicht das moderne, gar aktuelle, sondern jenes des Kibbuz, der romantischen Geschichten von Besiedelung, Kommune und Landwirtschaft. In Bregenz wird eine Verbindung mit einem anderen Paradies-Land, Vorarlberg, gezogen, doch mag dies wohl eher nur bei der Vernissage, bei der es Käsehäppchen gab, deutlich geworden sein. Der Kurator verlustierte sich in seiner Rede mit Käse-Bezügen, zog lange Fäden weg von der Kunst und hin zur Unterhaltung. Der Kunstbetrieb hat die Künstlerin eingehüllt, deren Situation so ihren Protagonistinnen ähnelte. Immerhin, so versteht man das Konzept von Mika Rottenberg durch die Verdauung.

Beim Rundgang durch die drei Etagen des Kunsthaus Bregenz ist eine geschickte Szenerie zu erleben, welche versucht, zu verführen und zu lenken. Es ist eine präzise Inszenierung, denn die Werke dürfen sich auf viele Quadratmeter Ausstellungsläche verteilen. Geformt wird ein Erlebnisraum, der distanziert bleibt. Einige Massenprodukte, Lichterketten, Plastiktiere und Girlanden hat die Künstlerin ins Kunsthaus Bregenz mitgebracht und arrangiert. Doch ihr Provokationsfaktor besteht darin, dass sie einen Kunstanspruch erheben. In Münster, in der Enge eines ehemaligen «Asia»-Shops, war dieses Zusammentreffen zwischen Kunst und Leben verunsichernd, da die Grenzen ineinander verflossen sind. Im Kunsthaus Bregenz wird es, und das ist nun mal die Krux in einer so harmonisch komponierten, stilvollen und clean wirkenden Beton-Architektur, intellektuelle Inszenierung.

Zusammen mit Videos, Installationen, Objekten und raumteilenden Elementen versucht Mika Rottenberg, die BesucherInnen jene Atmosphäre erleben zu lassen, welcher die Protagonistinnen in den Filmen ausgesetzt sind. Diese sind in Produktionsabläufe und zwischen den Massenwaren eingezwängt, ihre Handlungen kippen vom Alltag ins Skurrile, die Filmräume vom dokumentarischen Abbild zu einer Märchenwelt. Die reale Absurdität und das vorgefunden Artifizielle der bunten Warenwelt werden in den Werken bis zur Karikatur übersteigert. Was in der Anhäufung auf Märkten in China, Mexiko oder Kalifornien an sich schon überflüssig erscheint, wird von Mika Rottenberg zur Sinnlosigkeit verdammt – die jedoch nicht leiden muss, sondern mit koboldhaftem Schalk ihre eigene Dynamik entfaltet. Darin kann man einen Widerstand gegen Arbeitsbedingungen und globale Marktmechanismen sehen.

Mehr Texte von Andrea Domesle

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Mika Rottenberg
21.04 - 01.07.2018

Kunsthaus Bregenz
6900 Bregenz, Karl Tizian Platz
Tel: +43 5574 48 594-0, Fax: +43 5574 48 594-8
Email: kub@kunsthaus-bregenz.at
http://www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


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