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Anja Hitzenberger - von Haus aus: Die Zeit steht still – eingefrorene Momente

Und wieder einmal widmet sich die Fotografin, Filmemacherin und Medienkünstlerin Anja Hitzenberger in ihrer aktuellen Fotoserie (2016, 2017) der Thematik des Essens. Diesmal musste sie zur Inspiration nicht wie für ihre „Chinese Fast Food“-Serie (2013) nach Peking reisen, sondern es ging zurück in die Heimat. So begab sich die in New York lebende Salzburgerin für die in der Galerie Reinthaler unter dem Titel „von Haus aus“ präsentierten Fotografien auf die Spuren der Wiener Traditionsfleischerei Sterkl, die 2014 ihre Pforten in der Brunnengasse nach beinahe 90 Jahren für immer schloss.

Ein alter Kochkessel, eine Aufschnittmaschine, die Bürotür, das leere Wohnzimmer oder gar das ehemalige Lehrlingszimmer erinnern an eine Zeit, in der das Metzgereibusiness florierte. Hitzenberger schafft es auf beeindruckende Weise, mit ihrer Kamera genau jenen Bildausschnitt einzufangen, der dem Betrachter die Möglichkeit bietet, die Vergangenheit zu suggerieren. Gegenstände werden bewusst in Szene gesetzt: so die rostige Wendeltreppe, auf der eine Metallkette drapiert ist, oder der Wohnzimmertisch, über den lieblos ein rosa Tischtuch gelegt ist, im Hintergrund eine Tapete aus den 60er-Jahren, die Spuren von ehemals gehängten Bildern aufweist, sowie der damals typische Fischgrätparkettboden. Und wie trist wirkt erst der Bildausschnitt „Tapete, Federkernbett und Tisch im Stil der Sechzigerjahre“, der das ehemalige Lehrlingszimmer darstellt. Hier kommt man zum Nachdenken, wann wohl die Metzgerei zuletzt einen Lehrling angestellt hatte, der hier wohnte. Auch die zwei Pikantwürste, die neben dem Gewand des ehemaligen Fleischers hängen, oder die Bürotür bringen eine immer größer werdende Leere zur Geltung, die schon beinahe ein Gefühl des Unbehagens auslöst.  Und wenn man nun den Blick­­­ zur gegenüberliegenden Wand schwenkt, auf der eine Fotofolie eines überdimensionalen Supermarktwurstregals angebracht ist, wird deutlich, worauf Hitzenberger in ihren Fotografien anspielt. Als Krönung ihrer Aussage – wohl die Verdrängung der traditionellen Fleischereierzeugnisse durch billiges Supermarktfleisch (dargestellt durch die Spar-Eigenmarke TANN) – hängt mitten vor der Fotofolie ein Tablet. Hier zeigt das Video „von Haus aus“ (2017) eine von Karl Sterkl begleitete Reise durch die Räumlichkeiten der ehemaligen Fleischerei.

Eine traurige Geschichte, die uns zu denken geben sollte, ob in unserer nach Konsum strebenden Gesellschaft wirklich immer nur der Preis oder die Hülle des Produkts für den Kauf ausschlaggebend sind. Anja Hitzenberger jedenfalls gelingt es wieder einmal, die Kritik gekonnt in der Hülle ihrer schönen Aufnahmen zu verpacken.

 

Mehr Texte von Désirée Hailzl

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Anja Hitzenberger - von Haus aus
04.05 - 10.06.2017

Galerie Reinthaler
1060 Wien, Gumpendorfer Straße 53
Tel: +43 699 106 81 871
Email: office@agnesreinthaler.com
http://www.agnesreinthaler.com
Öffnungszeiten: Do, 14.05., Fr, 15.05., Mi, 20.05., Do, 28.05., Fr, 29.05., Do, 04.06., Fr, 05.06., Mi, 10.06., Do, 18.06., Fr, 19.06., Do, 25.06., Fr, 26.06. jeweils von 14 bis 18 Uhr


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