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Wiener Porzellan: von Du Paquier bis Augarten

Seit Mitte Juli 2003 ist offiziell, was seit Jahren längst hinter vorgehaltener Hand - wegen sinkender Umsatz- und steigender Betriebskosten - gemunkelt wurde: Die Porzellanmanufaktur Augarten meldete Konkurs an und steht nunmehr zum Verkauf. Den Sammler von Alt Wiener Porzellan und den Kunstmarkt tangiert diese wirtschaftliche Entwicklung kaum. Im Gegenteil, denn bei einer Schließung des Traditionsbetriebes würden die derzeit zu Dumpingpreisen in Porzellanauktionen versteigerten Augarten-Service jedenfalls im Wert steigen. Zweitälteste Manufaktur Europas Die Geschichte der Wiener Porzellanmanufaktur, der zweitältesten Europas, lässt sich in drei Perioden unterteilen: in jene von 1718 bis 1744, benannt nach dem Gründer Claudius Innocentius Du Paquier, in den Abschnitt von 1744 bis 1864, als die Manufaktur unter staatlicher Führung stand und schließlich in die Zeit ab 1923, als man den Betrieb unter dem Namen "Porzellanmanufaktur Augarten" wieder aufnahm. Porzellane aus der Gründungsperiode der Manufaktur zählen aufgrund ihrer Seltenheit zu den gesuchtesten Stücken und absoluten Highlights jeder Sammlung, wie das jüngste Beispiel aus dem Auktionsbereich belegt: Im Juli wechselte bei Christie`s in London ein etwa um 1725 entstandener Krug für den Weltrekordpreis von fast 350.000 Euro den Besitzer. Feinste Porzellanmalerei Zu den am häufigsten gesammelten Porzellanen zählen allerdings jene, die besonders detailgenau und prächtig bemalt sind. Dieser Trend setzt nach der Blüte des plastischen Rokokos ein und hielt sich bis weit in das Biedermeier. In Wien entstanden so gegen Ende des 18. Jahrhunderts die berühmten Sorgenthal-Porzellane, benannt nach dem damaligen Direktor der Manufaktur, die heute in den Auktionssälen Höchstpreise erzielen. Als charakteristisches Merkmal sind die Wandungen des Porzellans auffällig, deren weißer oder farbiger Fond zum Träger der Flächendekoration avancierten. Der spezielle Wiener Nuancenreichtum wurde durch die Kombination von Farben bzw. Farbflächen, die das jeweilige Ornament in kräftiger Buntheit oder hellen Pastelltönen stützen, und den anschließend aufgetragenen Reliefgoldornamenten erzielt. Die damaligen Sammeltassen wurden besonders aufwändig bemalt - etwa jene um 1796 entstandene, mit den Personifikationen der Jahreszeiten "Frühling, Sommer, Herbst" in Ton-in-Ton-Malerei kombiniert mit reichem Golddekor, für die Liebhaber von 1400 bis 6000 Euro bezahlen. Die Rezeption der Antike fand sich sowohl im Dekor - pompejanische Tänzerinnen in Camaieumalerei, hängende Palmetten, Lorbeerblätter und -kränze oder Fabelwesen - als auch bei Formen, die der Kunst der Römer und Griechen entlehnt wurden: die weiten flachen Trinkschalen fanden ihre Bestimmung als Obstschalen, Suppentöpfe wurden weit geöffneten Urnen nachempfunden und die Dreifüße fanden als Form für Zuckerschalen und Obstkörbe Verwendung. Für die Speiseservice und Déjeuners wurden schlichte Henkelformen sowie einfache zylindrische Tassen und Kannen typisch. Für ein Service aus dieser Zeit muss man mit rund 10.000 Euro rechnen. Etwas günstiger sind die bei Sammlern beliebten Bild-Teller: die "Fahnen" (Rand) sind zumeist mit aufwändigen Golddekoren und der "Spiegel" (Tellermitte) mit mythologischen Malereien in Medaillons verziert. Hier gilt je reichhaltiger, desto teurer (5000 bis 10.000). Ende der Manufaktur & Neubeginn als "Augarten" Das Wiener Porzellan der damaligen Zeit blieb, auch nach der Schließung der Manufaktur 1864, aufgrund seiner Reichhaltigkeit und hochwertigen Ausführung bis ins späte 19. Jahrhundert derart beliebt, dass eine Reihe von böhmischen Manufakturen in der Art "Vieux Vienne" kopierten (inklusive dem Bindenschild, der legendären, bis heute verwendeten blauen Marke am Boden der Stücke). Mit der Neugründung der Manufaktur 1924 (Augarten) besaß Wien dann wieder eine eigene Porzellanproduktion. Die Statuten sahen neben der Beachtung moderner Strömungen vor allem die Wiederbelebung und Fortsetzung der Tradition der ehemaligen Aerarial (staatlichen) Porzellanmanufaktur vor. Damit verfügt die Produktion bis heute über ein einmaliges Formen- und Dekorrepertoire. Auf eine Zusammenarbeit mit Künstlern legte man zu Beginn besonders viel Wert, wie etwa Service-Entwürfe Josef Hoffmanns oder Michael Powolnys, grandiose Dekore von Franz von Zülow oder Grotesken von Walter Bosse belegen. Die Preise sind hier sehr unterschiedlich, da viele der Service bis heute hergestellt werden. Für glasierte Service, wie das so genannte "Melonenservice" von Josef Hoffmann, zahlt man quasi Second-Hand-Preise; für handbemalte mit der bis (vermutlich) in die 40er Jahre verwendeten roten (achteckigen) Dekormarke wird deutlich mehr veranschlagt: etwa 8000 Euro für ein Teeservice für sechs Personen mit Dessertteller mit einem Dekor von Franz von Zülow. Bei Figuren sind jene mit den frühen roten Dekormarken gefragter - für eine Bosse-Groteske aus den 20er Jahren hinterlegte ein Sammler im Dorotheum (2001) fast 4000 Euro, dasselbe Modell des Mädchens mit Rebstock kostet als Neuausführung 1773 Euro. Literatur Neuwirth Waltraud, Dr. "Wiener Porzellan - Original, Kopie, Verfälschung, Fälschung", Wien Selbstverlag 1979 Handel / Auktionshäuser C. Bednarcyk, spezialisiert auf Porzellan des 18. Jahrhunderts: Dorotheergasse 12, 1010 Wien www.imkinsky.com www.dorotheum.com www.christies.com www.sothebys.com
Mehr Texte von Olga Kronsteiner

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