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Art Rotterdam: Eine Frage der Perspektive

Der Februarwind pfeift über das Rheindelta und zieht eisig durchs Foyer der historischen Van Nelle Fabrik. Der Stimmung in den Hallen der Art Rotterdam tut das jedoch keinen Abbruch. Wer wissen will, wie eine Regionalmesse mit ausschließlich zeitgenössischer Kunst für Besucher wie Aussteller gleichermaßen funktionieren kann, wird hier bestens bedient. In der 18. Ausgabe beweist die Veranstaltung, dass es diesseits von Messe- und Galeriekonzernen einen Kunstmarkt und -diskurs gibt, der sich ins Wohnzimmer fortsetzt. Denn das Publikum besteht bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht aus Artconsultants, Starkkuratoren und messehoppenden Großsammlern, sondern aus ganz normalen Menschen, die sich gerne mit Kunst umgeben. Unter das einheimische Publikum mischen sich viele Belgier, aber auch nicht wenige Deutsche reisen aus dem benachbarten Rheinland an. Holländische Häuser sind traditionell eher klein, und das Budget der Sammler nach internationalen Maßstäben ebenso. Die 95 Aussteller wissen das und bringen entsprechende Werke mit. Das Ergebnis ist eine breite Palette atelierfrischer Kunst auf einem Niveau, das von einer Regionalmesse so nicht unbedingt zu erwarten ist. 45 Aussteller kommen aus dem Ausland, allein elf aus Deutschland, vier aus der Schweiz, jedoch keine aus Österreich. Die Standmieten beginnen bei rund 3.000 Euro in der New Art Section für Erstaussteller. Bei den großen Messen ist ungefähr das Doppelte fällig. In Rotterdam können es sich die Aussteller leisten, auch sehr preiswerte Kunst für einige Hundert Euro anzubieten. Selbst die größeren regulären Stände kosten deutlich unter 10.000 Euro. Das hat bei einigen Ausstellern die Entscheidung zugunsten von Rotterdam und gegen die zeitgleiche Zona Maco in Mexiko entscheidend beeinflusst. So sind Neumeister Bar-Am aus Berlin letztes Jahr in Südamerika gewesen, um sich dann für eine Teilnahme in den Niederlanden in der Newcomer-Abteilung zu entscheiden, die mit nur 4 Einheimischen bei 25 Galerien auch der weltläufigste Teil der Messe ist. Für Eastwards Prospectus aus Bukarest hat den Ausschlag gegeben, dass Kuratoren die Auswahl der Projekte treffen; in ihrem Fall installative Arbeiten von Sebastian Moldovan. Die Nachwuchsarbeit zahlt sich aus. Barbara Seiler hatte ihre Galerie in Zürich vor etwas mehr als sieben Jahren gerade aufgesperrt, als sie hier schon angenommen wurde. Seitdem ist sie Rotterdam treu geblieben. In diesem Jahr zeigt sie Arbeiten der einheimischen Künstlerin Mirthe Klück. Messedirektor Fons Hof hat genaue Vorstellungen davon, wie er die Art Rotterdam positioniert sehen will. Denn der Kunstmarkt befindet sich im Umbruch. Unter der Vielzahl der um Aussteller buhlenden Kunstmessen steht eine Bereinigung an. Nur die Großen dürften sicher sein, glaubt Hof:„Basel wird keine Probleme haben. Aber es gibt einen Trend zurück zur Regionalität. Viele Galerien konzentrieren sich wieder auf ihre Heimatmärkte. Und wir sind eine Regionalmesse. Das ist für uns nicht unbedingt schlecht. Wir haben hier jetzt fast alle niederländischen Galerien.“ Den Ruf als Entdeckermesse pflegt er mit Bedacht: „Die Sammler mögen die Messe. Selbst die großen hiesigen Sammler, weil sie Galerien sehen, die man auf den fünf Top-Messen nicht sieht.“ Statt auf Expansion setzt er auf Nachhaltigkeit „Wir halten die Standmieten niedrig, damit die Galerien junge Kunst bringen können. Die meisten holländischen Sammler suchen Kunst unter 10.000 Euro. Diesen Markt wollen wir bedienen. Wir können zwar bei der Qualität oder unserem Ruf wachsen, aber nicht beim Preis oder der Größe.“ In dieses Konzept passt das KunstKoop-Programm des staatlichen Mondriaan-Fonds , der mit einem Etat von aktuell 500.000 Euro im Jahr private Kunstkäufe fördert. Bis zu einer Summe von 7.500 Euro können Erwerbungen bei 125 teilnehmenden niederländischen Galerien zinslos auf Pump gekauft werden. Die Abwicklung des Kredits übernimmt eine Bank. Man muss nicht immer auf das obere Ende schielen; der Blick in die Ebene hilft bisweilen, die Perspektive zurechtzurücken.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Rotterdam
09 - 12.02.2017

Van Nellefabriek
3044BC Rotterdam, Van Nelleweg 1
Tel: +31 10 742 02 58
Email: info@artrotterdam.com
http://www.artrotterdam.com
Öffnungszeiten: 11-19 h


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