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Der Farbholzschnitt in Wien um 1900: Altherrenprogramm

Die gute Nachricht ist die Ausstellungsarchitektur: Taumelte man in der Frankfurter Schirn zwischen schiefen Wänden, die an expressionistische Filmkulissen erinnerten, so hat man sich in der Albertina-Version der Ausstellung zum Farbholzschnitt des Wien um 1900 für eine konservativ elegante Präsentation entschieden. Ein mittelblaues Farbband läuft auf den weiß getünchten Wänden, ihm entlang reihen sich die rund 100 gerahmten Papierarbeiten von Künstlern wie Ludwig Heinrich Jungnickel, Carl Moll, Josef Stoitzner oder Carl Moser. Feierte man in Frankfurt mit fast doppelt so vielen Exponaten das Medium und seine Innovationen, sind es in Wien einmal mehr Namen, titelte man am Main „Kunst für Alle“, belässt man es an der Donau beim Untertitel „Der Farbholzschnitt in Wien um 1900“. Bei aller (auch technischen) Brillanz des Dargebotenen in der Albertina-Auswahl kann man nur festhalten, so weit, so uninspiriert-dröge. Als Initiator und federführend in der Konzeption des Projektes wirkte Tobias G. Natter, der diesen blinden Fleck in der sonst mitnichten unterrepräsentierten Zeit erstmals in seiner gesamten Breite zur Kenntlichkeit bringt. An ihm wird die einseitige Ausrichtung der Wiener Ausstellung nicht gelegen haben. Wer sich als Ausstellungshaus jenseits der zugkräftigen Trias Klimt-Schiele-Kokoschka auf ein Ausstellungsthema rund um Wien um 1900 einlässt, wird wissen, dass man an dem zentrale Gedanken des Gesamtkunstwerkes wohl nicht vorbeikommt und so beginnt der Parcours auch ganz eifrig mit einem Zitat aus der fünften Ver Sacrum-Ausgabe, dem Zentralorgan der Wiener Secession: „Wir kennen keinen Unterschied zwischen „hoher Kunst“ und „Kleinkunst“, zwischen Kunst für die Reichen und Kunst für die Armen. Kunst ist Allgemeingut“. Darunter gleichsam als Alibi zwei aufgeschlagene Ver Sacrum Hefte von 1902 und 1903 mit Holzschnitten von Nora Exner und Mileva Roller-Stoisavljevic.. Das war es dann auch mit der Egalité zwischen den Gesellschaftsschichten, den Geschlechtern und Grenzen zwischen angewandter und dem, was man gemeinhin unter autonomer Kunst versteht. Die Begründung für diese etwas eingeschränkte Auswahl von 47 Positionen in Frankfurt auf eben einmal neun näher betrachtete Künstler, liegt in der Entscheidung, in Wien ausschließlich auf eigene Sammlungsbestände zurückzugreifen. Damit erklärt sich wohl auch das Fehlen weiblicher Positionen. Frauen würden eher in der angewandten Kunst arbeiten, erläuterte Direktor Schröder dem Vernehmen nach bei der Pressekonferenz, was dann doch etwas erstaunt, da es schlicht nicht stimmt. Auch müsste er es eigentlich auch besser wissen, wurde doch unter seiner Ägide bereits 1999, kuratiert von Ingried Brugger, im Kunstforum „Das Jahrhundert der Frauen ausgerufen“. Man denke nur an Broncia Koller-Pinell oder Irma Duczy?ska, die in Wien sogar eine eigene Malschule betrieb, sie sind 2 von den in Frankfurt gezeigten 13 Frauen. Dass auch wichtige männliche Positionen in Wien fehlen, kann diesbezüglich auch kein Trost sein. Im Vergleich zu den sonst in der Albertina praktizierten kostenintensiven Blockbuster Präsentationen mögen die Holzschnitte aus den eigenen Depots eine immerhin sehr budgetfreundliche Veranstaltung darstellen. Ausgestellt wird, was die früheren Direktoren einst als sammlungswürdig erachtet haben. Das mag heute als die eigene Historie reflektierendes Argument anmuten, doch zeigt es auch, dass sich an männlich dominierten Programm und Programmatik in der Albertina seit hundert Jahren nichts geändert hat. Dass die Ausstellung mit Eva Michel von einer weiblichen Mitarbeiterin des Hauses betreut wurde, scheint in diesem Zusammenhang nichts zur Sache zu tun. Was von der Ausstellung bleiben wird, ist die allenthalben gewichtige, begleitende Taschen- Publikation „Kunst für alle“, die Herr Schröder als Mitherausgeber nun in seine umfassende Bibliographie aufnehmen darf. Das sei ihm als Direktor des Hauses unbenommen, in Anbetracht des Kataloges allerdings, mutet die Schau in einer der bedeutendsten Graphiksammlungen der Welt nachgerade als dürftiger Etikettenschwindel an.
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Der Farbholzschnitt in Wien um 1900
19.10.2016 - 22.01.2017

Albertina
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Tel: +43 1 534 83 -0, Fax: +43 1 533 76 97
Email: info@albertina.at
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Öffnungszeiten: Tägl. 10-18h, Mi 10-21 h


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