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Mehr Geld, weniger Mut - DC Open Teil 2: Düsseldorf

Verglichen mit Köln ist Düsseldorf tatsächlich ein Dorf. Kein Wunder: die Rheinmetropole hat als römisches Oppidum angefangen, die Landeshauptstadt als niederrheinisches Fischernest. Wirtschaftlich hat heute Düsseldorf die Nase vorn, was trotz Akademie allerdings nicht in einer überbordenden Kunstszene mündet. Nur halb so groß wie das der südlichen Nachbarn ist das Kontingent der hiesigen Galerien bei der dc open. Gleichwohl ist die Angebotspalette der Teilnehmer heterogener oder breiter gefächert, je nach Sichtweise. Die allermeisten der 18 Teilnehmer konzentrieren sich in zwei Stadtvierteln. In Flingern, dem seit mehr als zwei Jahrzehnten als kommendes Szeneviertel geltenden ehemaligen Arbeiterbezirk, siedeln sich bevorzugt Neugründungen an. Hier beweist Linn Lühn, warum ihr Programm als anspruchsvoll gilt. Rahmen an Rahmen gehängt zeigt sie Fotografien des Pop-Publizisten Jon Savage, der in den 70er Jahren die Trostlosigkeit eines Nord-Londoner Stadtteils einfing (Serie, Auflage 10, 17.000 Euro netto, fünf einzelne unikate Motive je 750 Euro). In den Aufnahmen finden sich zum Teil dezent sichtbare Spuren von Widerstand und aufkommendem Punk. Als Werk funktioniert diese Manifestation der Trostlosigkeit in der Rückschau, da die späten 70er Jahre mit ihrer Punk- und Squatting-Szene der europäischen Linken heute als historischer Sehnsuchtsort gelten. Savages Bilder rücken diese Illusion in ein fahles Licht. Eine museumswürdige Ausstellung mit Arbeiten von Thomas Schütte hat die Galerie Konrad Fischer in ihrem gesamten weiträumigen Haus inszeniert. Die Preise beginnen bei 20.000 Euro für Aquarelle, gehen über 100.000 Euro für kleinere Glasmännchen und enden bei 1,2 Millionen Euro (alles Nettopreise) für einen Satz geometrischer Gartenzwerge. Architekturmodelle gibt es nur im Zusammenhang mit einem Bauauftrag. Schon am Eröffnungstag war fast alles Verkäufliche verkauft. Van Horn setzt auf den Lokalmatador Claus Föttinger, der in ihren Räumen auch schon mal gewohnt hat, als hier noch die Galerie Bochynek den straßenseitigen Raum bespielte. Zu seinem neuen Bar-Objekt mit aktuellen gesellschaftlichen Bezügen setzt er einen Kontrapunkt mit autobiographischen Arbeiten (2.500 bis 95.000 Euro, differenzbesteuert). Junggaleristin Philine Cremer begibt sich mit einer Gruppenausstellung auf das heikle Terrain der zeitgenössischen Landschaftsdarstellung mit der Berlinerin Michelle Jezierski als Ankerposition; vier der zwölf gezeigten Arbeiten stammen von ihr. Aus den Galerien in der Altstadt verwirrt die TZR-Galerie mit einer Guerilla-Aktion die östlichen Nachbarn, indem sie per Werbebanner den baldigen Umzug nach Flingern vorgaukelt. In seinen Räumen in der Poststraße stellt Inhaber Kai Brückner mit Johannes Brus (1.200 bis 12.000 Euro) und dem Ehepaar Blume (6.800 bis 35.000 Euro inkl. MWSt.) den Gegenstand seiner Magisterarbeit aus. Bei Rupert Pfab führt Yvonne Roeb, eine Schülerin von Katharina Fritsch und Timm Ulrichs in ihr von sehr seltsamen Wesen und Objekten bevölkertes "Multiversum" vor, dessen Relikte sie wunderkammerartig präsentiert (1.600 bis 26.500 Euro). Die zeitgleich ebenfalls an verschiedensten Orten stattfindenden und "kunstpunkte" genannten Offenen Ateliers irritieren etwas, da sie sehr deutlich das andere Ende des Marktes zeigen. www.dc-open.de
Mehr Texte von Stefan Kobel

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