Werbung
,

Martin Kippenberger: Der gemalte Witz

Martin Kippenberger - 1953-1997 -, dem früh verstorbenen Enfant terrible der Kunstszene der 80er und 90er Jahre, dem Beleidiger, „Schmähakrobaten“, exzessiven Trunkenbold und großartigen Künstler, widmet das Kunstforum in Wien eine große Personale. Um die Fülle der Werke von Kippenberger thematisch einzugrenzen und einen wesentlichen Aspekt seines Werks herauszufiltern, stellte die Kuratorin Lisa Ortner-Kreil die Frage nach dem Wort und dem Schriftlichen in Martin Kippenbergers Kunst. Worte, das Ringen mit Sprache, seine eigene Legasthenie, sein Schul- und Studienabbruch, das Gefühl des Ungenügens und der zeitgleichen Zuwendung zum Wort, das auch im Gestalten von Büchern mit Walther König seinen Ausdruck fand, sind lebenslange Themen im Werk von Martin Kippenberger. Paradigmatisch dafür zeigt das Kunstforum im Hauptraum die selten gezeigten „Weißen Bilder“ von 1991. Kippenberger verwendete dabei die legasthenischen Texte des ihm bekannten neunjährigen Buben Stephan Fiedler. Diese übertrug er in fast unsichtbarer krakeliger Schrift auf weiß grundierte Leinwand. Nach jedem Satz schrieb Fiedler die Worte „Sehr gut“. Deshalb werden diese Bilder auch „Sehr gute Bilder“ genannt. Schon allein dieses Wortspiel ironisiert seine in den „Weißen Bildern“ stattgefundene Auseinandersetzung mit konzeptueller und minimalistischer Kunst. Der konzeptuelle Gedanke und der „White Cube“ sind Anfang der 90er Jahren im künstlerischen Diskurs noch sehr wirkungsmächtig. Die „Weißen Bilder“, die in die Trägerwand ohne erhebenden Rahmen eingelassen sind, sind von einer zurückhaltenden buchstäblichen Schönheit. Einer Art Schönheit die man Kippenberger auf den ersten Blick gar nicht zugetraut hätte. 2013 waren sie auch in Berlin im Hamburger Bahnhof zu sehen. Das Sympathische an Kippenbergers Sicht auf die Welt war, dass er keinen Respekt vor jedweder Kunstgröße hatte. Dies kommt auch im verdrehten Zitat von Joseph Beuys zum Ausdruck in dem „Jeder Mensch ist ein Künstler“ zu Martin Kippenbergers „Jeder Künstler ist ein Mensch“ wurde. Kippenberger hatte nichts mit der auratischen Kunst, dem „Schamanentum“, der berührten Innerlichkeit oder den sakralen Performances eines Joseph Beuys am Hut. Zugleich praktizierte er seinen „erweiterten Kunstbegriff“ exzessiv. Das „Betroffenheitsgetue“, das Kippenberger der Kunstproduktion der ersten Generation der Nachkriegskünstler wie Anselm Kiefer, Georg Baselitz und auch Joseph Beuys attestierte, stieß ihn ab. Und indem er jenes Tun ins Lächerliche zog, kam er manchmal zu sehr menschlichen Lösungen. Kippenberger und seine Freunde, allen voran Albert Oehlen, schreckten aber auch nicht vor verletzendem Rabaukentum zurück. Die beiden hielten gemeinsam mit Werner Büttner die Vorlesungsreihe: „Ansprache an die Hirnlosen“ an der Universität für Angewandte Kunst im Dezember 1984 ab. Dabei kam ein sprachliches Konzept zum Tragen, bei dem Sätze nicht vollständig gesprochen, pointenlose Witze umständlich erläutert wurden. Es wurde ein Versagen an der akademischen Sprache inszeniert und der Ausbildungsort der zukünftigen KünstlerInnen durch den Kakao gezogen. Dass diese Herangehensweise oft subversiv und entlarvend war, ist offensichtlich. Für manche Zeitgenossen war sie aber oft schlicht ärgerlich. Das Kunstforum bietet in der Ausstellung auch Wiederentdeckungen wie die Tafeln „Uno di voi, un tedesco in Firenze“ 1976/77. Sie spielen in der Form und Malweise auf Gerhard Richters „48 Porträts bedeutender Männer“ an. Richters Arbeiten waren 1971 im deutschen Pavillon auf der Biennale di Venezia zu sehen gewesen. Auch die Installation „Jetzt geh ich in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald“ von 1990 ist im Kunstforum zu ergehen und erfühlen. Rund zwanzig Jahre nach seinem Tod ist Martin Kippenbergers Werk an großen internationalen Kunstinstitutionen zu Hause. 2006 gab es eine Ausstellung im der Tate Modern und 2009 im MoMA in New York. Nun also kann man seine Vielfältigkeit in Wien bestaunen: Hingehen bitte!

Mehr Texte von Susanne Rohringer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Martin Kippenberger
08.09 - 27.11.2016

Bank Austria Kunstforum
1010 Wien, Freyung 8
Tel: +43 1 537 33 26, Fax:
Email: office@kunstforumwien.at
http://www.kunstforumwien.at
Öffnungszeiten: Mo-So 10.00-19.00 h
Fr 10.00 - 21.00 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: