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Uncertain States. Künstlerisches Handeln in Ausnahmezuständen: Im Ausnahmezustand

Unter dem Titel „Uncertain States – künstlerisches Handeln in Ausnahmezuständen“ zeigt die Berliner Akademie der Künste jetzt Arbeiten, die sich mit Flucht, Exil und Fremdsein auseinandersetzen. Die Ausstellung geht unter die Haut, obwohl auch einige richtig schlechte Werke zu sehen sind. Etwa 60 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht, wichtig also, dass sich auch die Bildende Kunst intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt. In letzter Zeit wurden in diesem Kontext oftmals aktivistische Kunstprojekte kritisch besprochen, interessant daher, dass sich die Ausstellung “Uncertain States“ jetzt auf werkbasierte Produktionen konzentriert. Interessant auch, dass sich bezeichnenderweise dabei gerade die vermeintlichen „big names“ der Show blamieren. So ist Mona Hatoums Skulpturenensemble „Kapan iki“, 2012, das aus Metallkörben besteht, in denen blutrote, an Körperorgane erinnernde Glasobjekte „eingesperrt“ sind, nichts anderes als purer Kitsch. William Forsyths Installation „The Fact of Matter“, 2009/2016, stellt einen benutzbaren Parcours aus Turnringen vor – beschwerliche Fortbewegung wird so als ein sich gänzlich unpolitisch gebender und nur scheinbar interaktiver Erlebnispark inszeniert. Und auch Ayse Erkmens Wandarbeit „Alkoven“, 2016, die sich aus Wandfliesen zusammensetzt, die Landminen im ornamentalen Stil zeigen, ist letztlich eine arg dekorativ daherkommende Arbeit. Umso überzeugender dagegen z. B. Sigalit Landaus Video „Barbed Hula“, 2000, in dem die Künstlerin zu sehen ist, wie sie mit einem Hula-Hoop-Reifen aus Stacheldraht am Strand von Tel Aviv einen schmerzhaften Bauchtanz vorführt. Diese „Grenzerfahrung“ im doppelten Sinne des Wortes geht ebenso unter die Haut wie Richard Mooses durch den Einsatz von Infrarotfilm dramatisch verfremdete Fotos von zerstörten Hütten im Kongo. Oder Julien Isaacs Film „Western Union, Small Boats“, 2007, dem es gelingt in überaus schönen, ja romantisch-malerischen Bildern von der Flucht aus Afrika über das Mittelmeer zu erzählen ohne dabei kitschig oder gar zynisch zu werden. In der Tradition von Bernd und Hilla Becher hat der Palästinenser Taysir Batniji in seiner Fotoserie „Watchtower, Westbank“, 2008, Wachtürme von der Westbank fotografiert. Statt, wie Julien Isaac, auf Opulenz zu bauen, setzen diese Aufnahmen auf sachliche Konzentration und überzeugen gerade deswegen mit ihrer präzisen Darstellung dieser inhumanen Architektur. Ein Höhepunkt von „Uncertain States“ ist sicherlich die Video-Installation „Tooth for Tooth – In memory of the murdered women in Turkey“, 2016, von Nezaket Ekici. Zu einem Quadrat sind da vier Videoleinwände aufgestellt, in dessen Inneren dann blickt man auf Frauen, die sich boxend und protestierend dem Betrachter in aggressiver Haltung zu wenden. Und dabei von diversen Frauenschicksalen aus der Türkei berichten, von Kapitalverbrechen wie sexuelle Übergriffe oder Morden. Komplementiert wird die sehenswerte Ausstellung durch einen „Denkraum“, in dem Material zum Thema aus dem Archiv der Akademie der Künste präsentiert wird. Z. B. sind da Bertolt Brechts Notate zum Unterschied vom Flüchtling und Emigrant nachzulesen – ein Papier, das gerade heute leider überaus aktuell ist.
Mehr Texte von Raimar Stange

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Uncertain States. Künstlerisches Handeln in Ausnahmezuständen
15.09.2016 - 15.01.2017

Akademie der Künste Hanseatenweg
10557 Berlin-Tiergarten, Hanseatenweg 10
Tel: +49 0 30 200 57 20 00, Fax: +49 0 30 57 21 75
http://www.adk.de


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