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Arbeit

Was Leute alles für Geld tun, ist die Frage, die sich die Manifesta im dafür durchaus geeigneten Zürich diesmal stellt. Kurator Christian Jankowski hat dreißig künstlerische Positionen, die dann auch von jemandem wie Michel Houellebecq bekleidet werden dürfen, genommen und sie mit ebenso vielen kurzgeschlossen, in denen Menschen einer geregelten Arbeit nachgehen: medizinischer, pädagogischer, therapeutischer, bei der Polizei, im Bordell oder im Hundesalon. Um der Sondergratifikation, Kunst zu sein, willen wird aufgepropft, eingenistet, unter den Nagel gezogen. Programmatisch dabei herauskommen soll ein Stück Subversion, Transgression, Avantgardismus. Wie meistens wird aber umgekehrt ein Schuh daraus. Was sein selbstverständliches Leben lebt, liefert Sinn für einen gesellschaftlichen Bereich, der immer weniger weiß, was er soll. Es geht um Kunst. Was ist es aber, wenn es um Kunst geht? Guillaume Bijl, Dog Salon Bobby, Manifesta Satellite bei Grieder Contemporary, Zürich, © Bildrecht, Wien 2016 Man übt sich in Projekten. Man gestaltet sein Portfolio. Man stellt Anträge. Dabei ist der Schlüsselbegriff doch ein anderer: Arbeit. Die unermüdliche, stets aufs Neue unternommene, konzentrierte, den Umständen abgerungene, gute Arbeit. Auf der Manifesta rücken sie einer Arbeit zuleibe, die in selbstverständlichen Milieus beheimatet ist, die sich nicht zu legimieren braucht, weil sie sozialen Überschuss liefert. Einer Arbeit, die professionell ist. Was aber ist Arbeit, wenn es um Kunst geht? Anbei ein paar Antworten aus der Geschichte. Labor „Staune nicht an das Gold und den Aufwand, sondern die Arbeit“: Das steht, im letzten Blogbeitrag war es im Mittelpunkt, am frühgotischen Portal von Saint-Denis. „Mirare laborem“: Man soll die Arbeit bewundern, die Handarbeit, die Gemachtheit, nicht die wertvollen Stoffe. Im Lateinischen heißt laborare auch leiden, und das ist durchaus mitgemeint. Mit Arbeit ist Anstrengung verbunden. Erfolg kommt nicht von selber, sondern bedarf der Leistung. Knowledge of a lifetime Die wunderbare Formel Whistlers im Gerichtsstreit mit John Ruskin. Die 200 Guineen, die sein Bild kostet, verlangt der Meister nicht für die Arbeit von zwei Tagen, sondern für das Wissen eines ganzes Lebens, das sich in ihr niedergeschlagen hat. Arbeit ist nicht die ad hoc-Bemeisterung von Material und Medium, sondern das Oeuvre. Ein solches zustande zu bringen, dauert in der Tat etwas länger. Bis es soweit ist, muss man daran arbeiten. Finesse Im Jahr 1868 schrieb Emile Zola, der Programmatiker des frühen Impressionismus, eine Rezension zu Werken von Johan Barthold Jongkind. Vier Jahre später wärmt er, das kann vorkommen, seine Zeilen noch einmal auf, sie scheinen ihm offenbar weiterhin passend. Doch er fügt einen Satz hinzu, den folgenden: „Die Wahrheit ist, dass der Künstler sehr lange an seinen Leinwänden arbeitet, um zu dieser extremen Einfachheit und dieser unerhörten Feinheit zu gelangen.“ Das mit der Dauer und der Feinheit schien einer Zusatzbemerkung wert. Auch wenn es simpel aussehen mag, bedurfte es einer langen Beschäftigung. Nicht die Optik macht das Bild, sondern der Prozess. Nicht das Motiv, sondern die Methode. Gute Arbeit verdankt sich einer Legitimation durch Verfahren. Rettung des Scheins „Darum wäre das Zentrum von Ästhetik die Rettung des Scheins, und das emphatische Recht der Kunst, die Legitimation ihrer Wahrheit hängt von jener Rettung ab“. Adornos „Ästhetische Theorie“ hat für alle einen Merksatz parat. Tatäschlich aber war der Denker, der Apologet der Askese und Verfechter des Verstummens, gegen jene „barbarische Buchstäblichkeit“, wie er es nannte, die sich den Dingen schlechterdings an den Hals wirft. Ohne Imagination geht es nicht: „Dies immanent idealistische Moment, die objektive Vermittlung aller Kunst durch Geist, ist von ihr nicht wegzudenken“.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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