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Rochelle Feinstein - I made a terrible mistake: Daneben-Benehmen

Rochelle Feinstein überführt abstrakte Malerei in Pop, ja Trash. Wie es diesem „Daneben-Benehmen“ gelingt, die einst „hehre“ Abstraktion mitten im postmodernen Alltag zu verorten ist in jetzt der Ausstellung der US-Amerikanerin im Münchner Lenbachhaus zu entdecken. Die Konfrontation „zwischen dem normativen Verhalten des Rasters und meinem eigenen ... Daneben-Benehmen als abstrakte Künstlerin“, so beschrieb Rochelle Feinstein einmal einen Aspekt ihres malerischen Ansatzes. Aus der Norm der (geometrischen) Abstraktion herausfallen also wollte die Künstlerin mit ihrem Bild „Make it Behave“, 1990 (nicht in der Ausstellung, aber im Ausstellungskatalog zu sehen), darum eben ist das rote Viereck auf weißem Grund hier eher schlampig ausgeführt, die Linien überschneiden sich, eine Ecke wird gar zu einem halben Kreuz. Feinstein aber wollte gar nicht akkurat malen, vielmehr behauptet sich ihre Subjektivität gerade im Freiraum des Fehlers und Unfalls. Deutlich wird das auch in dem Bild „Geography“, 1994, in dem weiße Farbe auf hellbrauner Leinwand ausgelaufen scheint, immer wieder überschreitet die Farbe den eingezeichneten Rahmen und so etwas wie eine Komposition ist auf dem Bild, das wohl nicht von ungefähr an Gemälde des Abstrakten Expressionismus erinnert, kaum auszumachen. Wie so oft bei ihren Bildern ist deren Erscheinung an gleich zwei (Un)Ordnungen mehr oder weniger fest gebunden: 1. An Erfahrungen aus dem persönlichen Leben der Künstlerin, hier das Platzen eines Kondoms, und an die Verortung in (jüngere) Kunstgeschichte. Feinstein selbst: „Für mich war das Schaffen von Gemälden von Anfang an eine bewusst „retrospektive“ Tätigkeit. Die Auswahlprozesse aus früheren Bildsprachen und ihr Anpassen an die Gegenwart sind immer absichtlich gewesen“. Dieses Anpassen nun findet nicht zuletzt durch die Auseinandersetzung der Künstlerin mit Formulierungen aus der Welt des Pop statt, vor allem ihrer Installation „I Made a Terrible Mistake“, 2002 – 2005, ist dieses ablesbar. Die Installation dreht sich um zwei grundverschiedene Universen des Pop, nämlich um die Welt des androgynen und gewissermaßen „nicht-mehr-schwarzen“ King of Pop Michael Jackson und der von Barry White, dem sich gnadenlos zu seiner Heterosexualität bekennenden schwarzen Schmalzsänger der 1970er Jahre. Ausgangspunkt für Feinsteins Arbeit ist Michael Jacksons skandalöser „Fehltritt“ 2002 als er sein Kind in Berlin in einem riskanten Manöver dem Pop-Volk zeigte, indem er es über die Brüstung seines Hotelzimmers im vierten Stock hielt. Malereien, Fotos, Videos, Sound- und Lichteffekte, letztere generiert u.a. von einer Diskokugel, setzen sich dann in dieser Installation mit der Dialektik von Erfolg und Scheitern, von Privatheit und Öffentlichkeit sowie von Begierde und deren kalkulierter Unterdrückung auseinander. Da ist z. B. das Bild „GNORW“, 2002, das in poppigen Farben und im Klang von Comicsprache das verkehrt herum geschriebene Wort „wrong“ zeigt, dazu collagiert ein Stück Negativfilm – Umkehreffekte also geben hier die Struktur vor, die eindeutige Abläufe der Qualitätszuschreibung fragwürdig erscheinen lassen. Oder da ist das pixelige Video „Fan“ zu sehen, das nichts als einen Ventilator zeigt – steht der Fan hier also arg platt als Frischluftgenerator für den ausgelaugten Star? Oder handelt es sich nur um ein Wortspiel, bedeutet „Fan“ im Englischen doch auch „Fächer, Ventilator“? „There is no success like failure; and failure’s no success at all“ hat Bob Dylan in den 1960er Jahren gesungen. Genau dieses trifft auch auf Feinsteins Werk zu: In der Installation „I Made a Terrible Mistake“ stellt sie das Problem des Fehlers in den Mittelpunkt, spielt ihr Thema mit Arbeiten durch, die zuweilen schon an der Grenze zum Dilettantismus sich bewegen und präsentiert so insgesamt ein Werk, das, legt man akademische Standards an, „no success at all“ ist. Gott sei Dank!
Mehr Texte von Raimar Stange

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Rochelle Feinstein - I made a terrible mistake
07.06 - 18.09.2016

Städtische Galerie im Lenbachhaus
80333 München, Luisenstraße 33
Tel: +49 89 233 32 00 0, Fax: +49 89 233 32 00 3/4
Email: lenbachhaus@muenchen.de
http://www.lenbachhaus.de/
Öffnungszeiten: Di - So 10.00 - 18.00


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