Stefan Kobel,
Frieze New York: Das Hamsterrad auf der Insel
Das New Yorker Wetter passt zur Messe: dunkle Wolken am Horizont und Gegenwind. In den Tagen vor den Auktionen, denen der Markt mit gemischten Gefühlen entgegensieht, hat die Frieze keinen leichten Stand. Ohnehin schon benachteiligt durch die Lage auf der etwas abgelegenen Randalls Island, bekommen die Londoner in New York die Zurückhaltung eines verunsicherten und vielleicht auch überfütterten Publikums zu spüren. Wohl nur wenige kaufen Werke eines Künstlers, wenn sie befürchten müssen, dass er in der Woche drauf bei einer Auktion durchfällt.
Für die Aussteller wäre das nicht weiter schlimm, wenn die Messe nicht eine der teuersten wäre. Eine Berlinerin meint sogar, es sei die kostspieligste überhaupt - eine kleine reguläre Koje schlägt schon mit 40.000 Dollar zu Buche. Dazu kommt der besonders kostspielige Transport auf die Insel. Der Besucherzuspruch steht jedoch kaum in einem Verhältnis dazu. Nach der Vernissage herrscht einigermaßen Flaute. Nicht nur ein Pariser Aussteller erzählt, dass er nach der Eröffnung keinen Umsatz mehr gemacht habe.
Er spricht ein weiteres Phänomen an, das nicht spezifisch für die Frieze New York ist, hier jedoch durch die Umstände besonders augenfällig wird. Der Messezirkus hat sich nicht nur verselbständigt und in ein Hamsterrad verwandelt. Das Rad dreht auch leer. Von vier Verkäufen seien drei an sehr gute Bestandskunden gegangen, und ein arabischer Kunde habe angerufen, er wolle nicht auf die Messe kommen, weil es dort keinen Private Showroom gebe; ob er das Bild nicht in seinem Hotel sehen könne. Selbstverständlich kann er.
Gegenbeispiele gibt es immer. André Sfeir-Semler aus Hamburg und Beirut sieht die aktuell Unsicherheit gelassen, Sie habe ohnehin kaum Kunden, die mit den Ohren kaufen. Dafür seien ihre Künstler nicht hip genug. Wer sich für die interessiere, lasse sich von der Konjunktur nicht beeindrucken. Wer einen Künstler wie Walid Raad im Programm hat, der sowohl Inhalte bietet als auch ziemlich en vogue ist, kann sich Gelassenheit auch leisten. Rodolphe Janssen aus Brüssel hat fast ausschließlich an neue Kunden verkauft. Seine Künstlerin Sam Moyer ist in New York ansässig, so dass er von ihren Sammlern profitiert. Oder man ist selbst einheimischer Galerist, wie David Nolan. Es sei immer viel zu tun gewesen, wenn nicht auf der Messe, dann in der Galerie, sagt er. Die Frieze bringe viel Publikum von außerhalb, aus dem Mittelwesten und Europa. New Yorker Galerien können also nur gewinnen.
Am Ende bringt es Erstteilnehmer Alessandro Pasotti aus Bologna auf den Punkt. Seine Galerie P420 sticht mit den formal wie farblich sehr reduzierten Arbeiten von Mylan Grygar etwas heraus zwischen den vielen plakativen Präsentation. Er findet, schöner und eleganter sei die Frieze. Die lokalen Sammler treffe man hingegen eher auf der Armory Show im März an. Daher nehme er ab jetzt an beiden Messen teil. Macht ungefähr 100.000 Dollar im Jahr, die man dafür ausgeben muss um in New York präsent zu sein.
Überraschungen oder Neuentdeckungen hält die Messe daher kaum bereit für den erfahrenen Besucher. Bei den Kosten kann sich auch kaum jemand ein wirtschaftliches Risiko leisten. Und wer es kann, hat überhaupt keine entsprechenden Positionen im Portfolio. Es sei denn, man empfindet Paarhufer in Aspik von Damien Hirst als originell.
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